Ostdeutschland


1. Wirtschaft allgemein.
Der ostdeutsche Produktivitätsrückstand ist eine statistische Lüge.
„Die Ergebnisse zeigen, dass die ostdeutsche Wirtschaft immer noch durch einen relativ hohen Anteil langsam wachsender Branchen gekennzeichnet ist. ... Humankapital- und lohnintensive Wirtschaftszweige sind nach wie vor stark vertreten.“ LitDokAB 1998/99 b-453.

„Das Anlagevermögen ist dabei im Durchschnitt moderner als das der westdeutschen Unternehmen und durch eine hohe Auslastung der Ausrüstungen gekennzeichnet. Die geringere Kapitalintensität der Produktion ist primär als Folge ... unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen einzuordnen und lässt zunächst keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die technische Effizienz der Produktion zu.“  LitDokAB 1998/99 a-675.
(Im Klartext: Dass in Ostdeutschland statistisch die Produktivität niedriger als im Westen ist, liegt vor allem daran, dass es dort weniger Großbetriebe gibt, die die Produktivitätsberechnung des Westens anheben. Werden nur Klein- und Mittelbetriebe zwischen Ost und West verglichen, dann zeigt der Osten klare Produktivitätsvorteile. w.b.)

„That in eastern Germany's manufacturing industry productivity is on average 43% behind that of western Germany... is emerged that issues of company organization and market position play a greater role in explaining differences in productivity than issues of technical equipment..." LitDokAB 2000, a-453.

„Dennoch ist die Vereinigung ökonomisch misslungen. Der Anpassungsprozess der ostdeutschen Wirtschaft ist bei einer Leistungskraft von etwa 60 % zu einem vorläufigen Stillstand gekommen." LitDokAB 2000, b-341.

1.1 Einzelne Branchen:
Autoindustrie:
„Die neuen Fabriken von Volkswagen und Opel... sind hocheffizient. Ihre Arbeitsorganisation, eng angelehnt an japanische Vorbilder, bietet wenig Chancen für selbstorganisierte, qualifizierte Arbeit.“ LitDokAB 1998/99 a-1098.

Druckindustrie: „Im ostdeutschen Druckgewerbe ... betrugen die Effektivstundenlöhne Ende 1995 etwa 81 % des westdeutschen Vergleichswertes... Der durch die Tariflohnentwicklung vorgezeichnete Anstieg der Personalkosten führte zu einem Selektionsprozess unrentabler Unternehmen, der sich statistisch in einer raschen Steigerung der Produktivität niederschlug und einen Personalabbau um fast 25 % mündete.“ LitDokAB 1998/99 a-1083.

Handel: „Der Handel, aber auch andere Dienstleistungen, haben sich in Ostdeutschland verstärkt auf der ‚Grünen Wiese‘ angesiedelt. Dieser Prozess ist weitgehend als unumkehrbar anzusehen.“ LitDokAB 1998/99 a-1107.

Landwirtschaft: „Im Unterschied zu vielen Industriezweigen hat die Landwirtschaft im Osten im großen und ganzen Stabilität bewahrt... Zwar ist in der ostdeutschen Landwirtschaft nur noch ungefähr jeder fünfte Arbeitsplatz erhalten geblieben... aber selbst in den noch existierenden Industriebetrieben ist es meist nur jeder zehnte oder noch weniger.“ LitDokAB 1998/99 a-1071.

2. Ostdeutsche Lohnarbeiter...
2.1 ... haben weniger Rechte und weniger Optionen
Es „wird offenkundig, dass der enge Zusammenhang des Doppelsystems der Arbeitnehmervertretung im Westen Deutschlands - Gewerkschaften und Betriebsräte - sich im Osten nicht wiederholt hat.“  LitDokAB 1998/99 a-617.

„Und das ‚deutsche Modell der Arbeitsbeziehungen‘ wird in Ostdeutschland in seinen Regulierungsmöglichkeiten unterminiert.“ LitDokAB 1998/99 a-618.

„Der Stand der gewerkschaftlichen Organisierung ist im Vergleich zum Westen geringer (die IG Metall verlor von 1991 bis heute etwa 2/3 ihrer Mitglieder und von den verbleibenden 20.000 sind mehr als die Hälfte arbeitslos).“ Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„Es zeigte sich, dass westdeutsche Arbeitnehmer in der Arbeit weit stärkere Eigeninitiative entwickeln; ebenso sind sie wesentlich mehr an Weiterbildung orientiert." LitDokAB Sonderh. 5 (1994) 1-1305.

2.2 Ostdeutsche Lohnarbeiter zeigen mehr „Flexibilität“, d.h. tragen deutlich größere Risiken und Existenzunsicherheiten als ihre westdeutschen Kollegen.
„Ostdeutsche arbeiten jährlich 150 Stunden länger als ihre westdeutschen Kollegen, feiern weniger krank.“ Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„Der Anteil der Teilzeitarbeitnehmer ist seit 1996 von 13 auf 18 Prozent gestiegen. 9 Prozent der Beschäftigten haben einen befristeten Arbeitsvertrag. 20 Prozent der ostdeutschen Betriebe haben geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. In 21 Prozent der Betriebe sind Arbeitszeitkonten vorhanden, in 48 Prozent werden Überstunden geleistet." LitDokAB 2000, a-581.

„Seit 1989 hat sich die Einwohnerzahl in den neuen Ländern um weit über eine Million durch Abwanderungen verringert. Auch die Zahl der Geburten hat seit 1989 in großem Umfang abgenommen.“ LitDokAB 1998/99 a-769.

EU-Osterweiterung: Gerechnet wird mit einer „Zunahme der ausländischen Bevölkerung aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern um knapp 220.000 Personen pro Jahr in Deutschland und um 335.000 Personen pro Jahr in allen Mitgliedsstaaten der gegenwärtigen EU." LitDokAB 2000, a-554.

2.3 Ostdeutsche Arbeitsplätze sind weniger, „kleiner“, „kürzer“ und billiger:
„In Ostdeutschland fehlen fast doppelt so viele Arbeitsplätze, wie die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen vermuten lässt. Das geht hervor aus dem ‚Sozialreport 1998 – Zur Lage in den neuen Bundesländern’ des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums (SFZ) Berlin-Brandenburg.“

„Zwar ist in der ostdeutschen Landwirtschaft nur noch ungefähr jeder fünfte Arbeitsplatz erhalten geblieben... aber selbst in den noch existierenden Industriebetrieben ist es meist nur jeder zehnte oder noch weniger.“ LitDokAB 1998/99 a-1071.

„Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (der einzige Ostvertreter bei den "Fünf Weisen") rechnet bis 2010 sogar mit einer Arbeitslosigkeit von bis zu 1/3 aller erwerbsfähigen Personen.“ Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„Der Anteil der Teilzeitarbeitnehmer ist seit 1996 von 13 auf 18 Prozent gestiegen. 9 Prozent der Beschäftigten haben einen befristeten Arbeitsvertrag. 20 Prozent der ostdeutschen Betriebe haben geringfügige Beschäftigungsverhältnisse." LitDokAB 2000, a-581.

„... wurden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu Beginn der 90er Jahre in Ostdeutschland extensiv ausgeweitet. Von einem besonderen Erfolg der Maßnahmen kann jedoch nicht gesprochen werden." LitDokAB 2000, b-204.

2.4 Das ostdeutsche Lohnniveau hat gegenüber Westdeutschland aufgeholt, aber das Aufholtempo wird immer langsamer
1989:
Bei Einführung der Währungsunion betrugen die Erwerbseinkommen im Osten 33 % des Westniveaus. Aufgrund der hohen Erwerbsbeteiligung in der DDR war das Haushaltseinkommen jedoch ... 46 % des Westniveaus.“ LitDokAB 1993/94 a-1241.

1991: „1991 erhielt ein vollbeschäftigter männlicher Industriearbeiter (Facharbeiter, angelernter Arbeiter und Hilfsarbeiter) in den neuen Ländern und Berlin-Ost ... einen durchschnittlichen Bruttojahresverdienst von 12.468 Euro (47 % von West).
Ein männlicher Angestellter in der Industrie (alle Leistungsgruppen ... ohne leitendes Personal) erhielt 15.781 Euro (39 % von West), eine weibliche Angestellte 12.292 Euro (46 % von West).
In dem erfassten Dienstleistungsbereich (Handel, Kreditinstitute und Versicherungsbereich) beliefen sich die entsprechenden Vergleichswerte auf 14.170 Euro für Männer (44 % von West) und 13.025 Euro für Frauen (58 % von West).“ LitDokAB 1993/94 a-1237.

1992: „Der effektive Bruttoreallohn erreichte in Ostdeutschland im Jahre 1992 im Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche 65 % des westdeutschen Niveaus bei einer rund 6 % längeren Arbeitszeit.“ LitDokAB 1993/94 a-1231.

1997: „1997 hat sich die relative Einkommensposition der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern weniger als in den Vorjahren verbessert. Die durchschnittlichen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit beliefen sich in den neuen Ländern auf 74 %, die Bruttolöhne und -gehälter auf 77 %, die Nettolöhne und -gehälter auf 85 % der westdeutschen Bezüge.“ LitDokAB 99/2000-2, b-518.
„Im Jahre 1997 haben sich ...die verfügbaren Jahreseinkommen denen in Westdeutschland auf etwa 85 % angenähert." LitDokAB 2000, a-473.

3. Kapitaleigner und Manager: Neue Chefs kamen aus dem Westen. Ostdeutsche Chefs sind altbekannte Chefs.
„85 % der ostdeutschen Vermögenswerte (Fabriken, Häuser und Boden) gehören inzwischen Westdeutschen oder Ausländern. Damit nimmt Ostdeutschland als europäische Region den letzten Platz in einer Rangliste der EU ein - selbst in den "klassischen" Abhängigkeitsregionen Baskenland und Nordirland ist der Anteil einheimischer Besitzer und Eigentümer höher.“ Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„ca. der ostdeutschen Unternehmen 72 % gehören westlichen Eigentümern“.  LitDokAB 1998/99 a.1046.

„Bei 87 % der im Osten ansässigen Aktiengesellschaften hat ein Westdeutscher den Vorsitz.“ Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„Nur 5 % der von der Treuhandanstalt privatisierten Betriebe gingen an Ostdeutsche, 10 % an Ausländer (vor allem US-Firmen und westeuropäische Unternehmen) und 85 % an Westdeutsche.“  Andrej Holm, „Telegraph“ (1/1998)

„ca. 85 % der Manager waren schon vor 1989 in leitender Stellung in den ehemaligen DDR-Betrieben tätig ... ca. 44 % der Ost-Manager waren vor 1989 Mitglied der SED oder einer ihrer Blockparteien.“ LitDokAB 1998/99 a-1046.

3.1 Gewinne:
Saldo der Waren- und Geldströme zwischen West- und Ostdeutschland:
1991:
72,6 Mrd. Euro Waren von West n. Ost und Geld von Ost n. West.
1992: 94,4 Mrd. Euro Waren von West n. Ost und Geld von Ost n. West.
1993:  101 Mrd. Euro Waren von West n. Ost und Geld von Ost n. West.
1994:  104 Mrd. Euro Waren von West n. Ost und Geld von Ost n. West.

„... verrechnet mit den "spezifischen Leistungen" für die neuen Länder bleiben satte 100 Mrd. DM, die jedes Jahr von Ost nach West wandern.“ Andrej Holm, aus „Telegraph“ (1/1998)

Lohnstückkosten: „Weil die Lohnstückkosten in Ostdeutschland etwas stärker zurückgingen, ... waren sie nun insgesamt um 23 %, im produzierenden Gewerbe nur noch um 5 % höher.“ LitDokAB 99/2000-2, b-518.

Jährlicher Gewinn je landwirtschaftlicher Betrieb (99/00):
Süddeutschland: 27.000 Euro
Norddeutschland: 34.000 Euro
Ostdeutschland: 46.200 Euro

Jährlicher Gewinn je landwirtschaftliche Arbeitskraft:
Süddeutschland: 17.500 Euro
Norddeutschland: 24.350 Euro
Ostdeutschland: 33.000 Euro.
(Daten vom Deutscher Bauernverband)

4. Der ostdeutsche Staatsapparat wurde personell „runderneuert“. Die finanzielle Abhängigkeit vom Westen und die Arroganz der politischen Emporkömmlinge macht die neue ostdeutsche Machtelite weder stabil noch attraktiv.
„Das ‚Ancien regime’ der DDR ist auch personell untergegangen- Karrierefortsetzungen der Transitionselite in den Parlamenten und Regierungen auf Landes- und Bundesebene seit 1990 sind selten." LitDokAB 2000, b-294.

„Transferleistungen vor allem in Form von Vorruhestands-, Altersübergangs-, Arbeitslosengeld, Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie Wohngeld ... betrugen je Haushalt 1992 durchschnittlich 268 Euro.“ LitDokAB 1993/94 a-1238.

„Insbesondere die hohen Erwartungen an die veränderten Möglichkeiten der demokratischen Mitwirkung wurden enttäuscht.“ LitDokAB 99/2000-2, b-414.

Soweit nicht anders vermerkt stammen Daten und Zitate aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div. Jhrg.
DM-Beträge wurden in Euro umgerechnet.
Wal Buchenberg, 20.11.2001 www.marx-forum.de