Harald Jentsch

Aus: junge Welt vom 23.01.2004

Der KP-Aufstandsversuch in Hamburg 1923

Moskauer Beratungen des Präsidiums des EKKI vom Januar 1924 über den »deutschen Oktober« 1923

Interner Machtkampf statt nüchteren Analyse

Vom 8. bis 21. Januar 1924 verhandelte das Präsidium des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) in Moskau mit führenden Vertretern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), um »Die Lehren der deutschen Ereignisse« (so der Titel der im nachhinein mit den Hauptreferaten und Beschlüssen publizierten Broschüre) im Herbst 1923, dem sogenannten »deutschen Oktober«, zu ziehen. Die Ereignisse selbst sollen hier nicht beschrieben werden, hat sie doch Josef Schwarz in dieser Zeitung in zwei umfangreichen Artikeln behandelt. (Josef Schwarz: Die linkssozialistische Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung in Thüringen 1923, junge Welt, 29.10.2003 und 30./31.10.2003.) Doch da Schwarz darin die Frage aufgreift, »ob es außer Absichtserklärungen und Leitsätzen der KI wirklich konkrete Aufstandsvorbereitungen« gegeben habe, sei hier zunächst zumindest folgendes festgestellt:

Aufstandsplanungen

Ab dem Frühsommer 1923 sahen die Führer der Russischen Kommunistischen Partei, RKP(B), und der KPD die Möglichkeit, daß die tiefe sozioökonomische Krise in Deutschland (Hyperinflation, Pauperisierung und Bankrott der Staatsfinanzen) in eine akut revolutionäre Situation umschlagen könnte. Ab August forcierte die KPD-Führung unter starker Einflußnahme der RKP(B) ihre konkreten Aufstandsplanungen. So beschloß am 28. August 1923 das Polbüro der KPD die Schaffung eines »mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten« zentralen Revolutionskomitees (REVKOM), an dessen Spitze der Revolutionäre Kriegsrat, bestehend aus dem Parteivorsitzenden Heinrich Brandler, dem Mitglied des Polbüros August Kleine-Guralski sowie dem militärischen Leiter (M-Leiter) bei der Zentrale der KPD – wahrscheinlich der sowjetische Generalmajor Pjotr (Alexis) Skoblewski-Rose – stand. Dem REVKOM gehörten außerdem (mit größter Wahrscheinlichkeit) noch folgende Mitglieder der Zentrale der KPD an: Hugo Eberlein, Fritz Heckert (der Anfang Oktober durch Erich Melcher ersetzt wurde), Iwan Katz, Wilhelm Pieck, Felix Wolff und Walter Ulbricht.

Was sahen deren Planungen und Vorbereitungen nun vor? Die Kommunisten erklärten sich bereit, in die sozialdemokratischen Regierungen in Sachsen und Thüringen einzutreten. Die Regierungsbeteiligung wollten sie dazu nutzen, die bestehenden Einheitsfrontorgane (Betriebsräte, Kontrollausschüsse, Proletarische Hundertschaften und Aktionsausschüsse) zu außerparlamentarischen Machtfaktoren auszubauen. Denn nur, wenn sich die sozialdemokratisch-kommunistischen Koalitionsregierungen nicht mehr nur auf eine parlamentarische Mehrheit, sondern auch auf eine außerparlamentarische Massenbewegung stützten, würden sie zu wirklichen Arbeiterregierungen werden.

 

Als wichtigste militärische Aufstandsvorbereitung sollten die Proletarischen Hundertschaften mit Hilfspolizeifunktionen ausgestattet und aus den Beständen der Landespolizei bewaffnet werden. Die Ausrufung eines Generalstreiks in Sachsen und Thüringen sollte die Massen weiter mobilisieren und, über reichsweit durchgeführte regionale und Landeskongresse vorbereitet, sollte schließlich ein Reichsbetriebsrätekongreß den bewaffneten Aufstand proklamieren. In Sachsen und Thüringen beginnend, sollte der bewaffnete Kampf dann auf alle anderen Teile Deutschlands, insbesondere auf die wirtschaftlichen und politischen Zentren, ausgeweitet und schließlich in Berlin entschieden werden. Den Nordbezirken kam dabei die Aufgabe zu, Kämpfe mit dem Ziel zu beginnen, Teile der Reichswehr zu binden.

Hamburg – wo der einzige Aufstandsversuch des »deutschen Oktobers« stattfand – kam in der Gesamtplanung nur eine Nebenrolle zu: Ein dortiger Aufstand war lediglich ein Ablenkungsmanöver, keinesfalls sollte er – wie sich bis heute die Legende hält – das Signal für den allgemeinen Aufstand sein. Die KPD-Führung hielt für die eigenen Aufstandsvorbereitungen einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten für nötig, wollte also erst frühestens Anfang 1924 zum vermeintlichen Endkampf bereit sein.

 

Ebenfalls im August 1923 beschloß das Politbüro der RKP(B) die Bereitstellung erheblicher finanzieller und militärischer Mittel für die deutsche Revolution und benannte zur Ausarbeitung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen eine hochrangig besetzte Kommission. Ihre Mitglieder waren: Grigori Sinowjew (Leiter), Feliks Dzierzynski, Lew Kamenew, Grigori Pjatakow, Karl Radek, Grigori Sokolnikow, Josef Stalin, Leo Trotzki und Georgi Tschitscherin. Aus der Furcht heraus, die KPD könnte mit ihrem Beharren auf ihrer langfristigen Planung eine günstige Situation verpassen, setzten die russischen Parteiführer auf einer gemeinsamen Beratung mit Vertretern der Zentrale der KPD Anfang Oktober in Moskau durch, daß – einem Vorschlag Trotzkis folgend – alle Aufstandsplanungen auf den 9. November 1923 (den symbolträchtigen 5. Jahrestag der Ausrufung der ersten sozialistischen deutschen Republik) auszurichten. Damit wurde der Aufstandstermin – wenn auch lediglich zur Orientierung – gegenüber den Planungen der KPD-Führung um mindestens zwei Monate nach vorn verlegt, womit Anfang Oktober von den ursprünglich vorgesehenen drei Monaten Vorbereitungszeit noch ganze vier bis fünf Wochen übrigblieben.

 

Die Aufstandsvorbereitungen wurden nunmehr forciert. Doch trotz aller Planungen und aller Bereitschaft zu finanzieller und materieller Hilfe, noch Ende Oktober 1923 – als in Chemnitz der Aufstand durch Brandler längst abgesagt und der Hamburger Aufstand beendet war – mußte der M-Leiter in einem Bericht an die Zentrale der KPD feststellen, daß alle vom Revolutionären Kriegsrat gestellten Aufgaben erfüllt seien – »außer dem wichtigsten – der Bewaffnung«. Tatsächlich verfügten die Proletarischen Hundertschaften mit 11 075 Gewehren, 141 MG, 130 MP, 1 811 Revolvern und 1 131 Handgranaten nur über den Bruchteil an Waffen, den der M-Leiter selbst als notwendige Voraussetzung für den Anfangskampf benannt hatte.

 

Gründe für das Scheitern

Bereits unmittelbar nach der Absage des Aufstandes begann die KPD-Führung, die Gründe für das Scheitern zu diskutieren. Dabei verhärteten sich zum einen die bereits seit Januar 1923 bestehenden Fronten zwischen der Zentrale-Mehrheit um Brandler und der insbesondere durch die KPD-Bezirksleitungen von Berlin-Brandenburg, Wasserkante und Rheinland repräsentierten »linken« Opposition. Letztere – geführt von Ruth Fischer und Arkadi Maslow – sah nunmehr die entscheidende Chance zur seit langem angestrebten Übernahme der Parteiführung. Zum anderen zerbrach dabei die bisherige Zentrale-Mehrheit. Führende Funktionäre, wie Hermann Remmele, Wilhelm Koenen, Hugo Eberlein und August Kleine-Guralski hofften, als sogenannte »Mittelgruppe« die Parteiführung zu behaupten, wenn es ihnen gelänge, Brandler als alleinigen »Sündenbock« zu opfern. Zu Brandler hielten in diesen Auseinandersetzungen nur noch wenige Mitstreiter.

Einen nicht unerheblichen Anteil an der nunmehrigen Dreiteilung der KPD-Führung hatte ein Anfang November 1923 von Sinowjew initiierter »Geschlossener Brief« des EKKI an die Zentrale der KPD, der bereits eine unausgewogene Kritik an den Fehlern der KPD-Führung in den vorangegangenen Wochen und einseitige Schuldzuweisungen gegenüber der Brandler-Führung enthielt. Da die KPD-Führer keine Chance mehr sahen, die Streitigkeiten eigenständig zu beenden, beantragten sie eine Vermittlung durch das Präsidium des EKKI.

 

Troika gegen Trotzki

An den Moskauer Beratungen des EKKI mit den Vertretern der KPD nahmen unter anderem teil: Die Mitglieder des Präsidiums des EKKI: G. Sinowjew, Josef Pjatnitzki, K. Radek – alle RKP(B) –, Clara Zetkin (KPD), Umberto Terracini (KP Italiens), Wassil Kolarow (KP Bulgariens), Otto Kuusinen (KP Finnlands) und Robert Stewart (KP Großbritanniens); für die KPD: H. Brandler, Karl Jannack; W.Pieck und Jakob Walcher (die beide bereits Anfang Dezember nach Moskau gekommen waren und sich als Vertreter der Gesamtzentrale verstanden); H. Remmele und W. Koenen als Vertreter der »Mittelgruppe«; R. Fischer, A. Maslow, Ernst Thälmann, Max Hesse, Werner Scholem und Arthur König als Vertreter der »linken« Opposition.

 

Schnell wurde in Moskau deutlich, daß es in den Verhandlungen nicht um eine vorurteilslose Untersuchung der Gründe für das Scheitern des Revolutionsversuchs in Deutschland gehen würde, sondern daß die sogenannte Troika (Stalin, Sinowjew, Kamenew) die Diskussion als Mittel im Kampf um die Führung in der RKP(B) gegen Trotzki funktionalisieren würde. Wurden die Interessen der Troika während der Verhandlungen von Sinowjew vertreten, so die Trotzkis (der wegen Krankheit abwesend war) von Radek. Schon Ende Dezember 1923 warnte Sinowjew Pieck und Walcher – als sie ihm mitgeteilt hatten, daß die von Radek, Trotzki und Pjatakow vorgelegten Thesen zur »deutschen Frage« eher den Auffassungen der Zentrale der KPD entsprächen als die von ihm vorgelegten – ausdrücklich davor, sich in der inhaltlichen Diskussion auf die Seite Trotzkis und Radeks zu schlagen.

 

Pieck stellte deshalb nach den Verhandlungen fest:

»Der russische Parteistreit hatte bereits eine Schärfe erreicht, daß eine Verständigung der genannten russischen Genossen auch nicht in der deutschen Frage mehr herbeizuführen war.« Noch deutlicher beschrieb C. Zetkin die Atmosphäre am 9. Januar 1924 in einem Brief an Jelena Stassowa: »Hier spitzt sich die Situation derart zu, daß sie (...) politisch kaum noch erträglich ist. Jeder, der der kleinsten Sympathie für Tr[otzki] und Rad[ek] oder der Übereinstimmung mit ihnen in irgendwelcher Einzelheit verdächtig ist, wird sofort des ›Trotzkismus‹ für schuldig befunden, als Überläufer zu dem ›Menschewismus‹ wie ein räudiger Hund behandelt. Das Herz blutet mir, daß dieser grobe Unfug, um mich nicht noch härter auszudrücken, mit dem großen Namen des großen Lenin gedeckt wird, der sich nicht wehren (...) kann. Die deutsche Frage wird ganz und ausschließlich unter dem Gesichtswinkel der Auseinandersetzung in der KPR behandelt. (...) Die Auffassung ist die: Die KPD ist in Wirklichkeit eine sozialdemokratische Partei. Es gibt aber in Gestalt der Berliner Organisation und der Opposition unter Masl[ow] und Fisch[er] eine kommunistische Anfangs- und Ordnungszelle. Die muß mit allen Mitteln gestützt werden. Was zu diesem erhabenen Ziele intrigiert und gelogen wird, geht nicht auf eine Kuhhaut. (...) Und warum? Weil in der deutschen Frage Rad[ek] wegen seiner Stellung in der russischen Auseinandersetzung ›desavouiert‹ werden muß.«

 

Auch wenn K. Radek, H. Brandler, H. Remmele, R. Fischer und G. Sinowjew zunächst fünf umfangreiche Referate zur »deutschen Frage« hielten, ging es in den Diskussionen weniger um eine inhaltliche Klärung der begangenen Fehler als vielmehr um die Frage, wer zukünftig die KPD führen sollte. Brandler übernahm selbstbewußt und ohne Rücksicht auf die möglichen persönlichen Folgen die volle Verantwortung für den kampflosen Rückzug im Oktober 1923: »Ich übernehme die volle Verantwortung für den Rückzug im Oktober. Ich behaupte, wenn ich nicht in der kritischen Situation mit beiden Beinen hineingesprungen wäre und nach der Chemnitzer Konferenz die Dinge herumgerissen hätte, wir wären in einen Kampf hineingekommen, der uns eine entscheidende Niederlage gebracht hätte, der uns für Jahre jede Diskussion über eine Möglichkeit des Sieges des Proletariats unmöglich gemacht hätte. Ich übernehme für den Rückzug persönlich alle Verantwortung. Ich sage noch mehr. Ich würde in einer ähnlichen Situation wieder genau so handeln.«

 

Sinowjew hielt es zwar für übertrieben, in bezug auf den deutschen Oktober von einem »Zusammenbruch« zu sprechen – wie es R. Fischer tat, immerhin habe es sich aber um eine »schwere, ernste Niederlage« gehandelt. Von seinem im Referat gegebenen Zugeständnis, die im Oktober begangenen Fehler hätten auch »teilweise bei der Exekutive« gelegen, sollte allerdings in der später beschlossenen Resolution keine Rede mehr sein. Als vorrangigste Aufgabe bezeichnete er die Verhinderung der Spaltung der KPD, die nur gelingen könne, wenn die neue Mehrheit den Fraktionsgeist überwände und als Ganzes – Linke und Mittelgruppe gemeinsam – eine einheitliche Führung der Partei schüfen.

 

Deshalb nannte er auch Remmele und Thälmann »das Beste und Kostbarste, was man in der deutschen Partei hat«, das »Gold der Arbeiterklasse«. Die KI werde jedoch der KPD die Zusammensetzung ihrer neuen Führung nicht vorschreiben. Sinowjew wollte keine einseitige Führung der KPD durch die Linke, doch er unterstützte augenscheinlich einen weiteren Linksschwenk der KPD-Führung. Zudem fielen in seiner Rede auch die fatalen Worte von den einen Block bildenden Faschisten und Sozialdemokraten, den es zu bekämpfen gelte, von der Kennzeichnung der Sozialdemokratie als »faschistischer Flügel«, »Flügel des Faschismus«, in denen sich die spätere Sozialfaschismusthese bereits andeutete.

 

Ergebnisse und Folgen

Zur Formulierung der Lehren aus dem »deutschen Oktober« wählte die Versammlung eine Kommission zur Ausarbeitung der politischen Resolution, bestehend aus Kuusinen, Pieck, Remmele, Koenen, Maslow und Thälmann. Radek wandte sich heftig gegen diese Zusammensetzung, insbesondere dagegen, daß Brandler von der Kommission ausgeschlossen wurde: Auf diese Weise würde nicht einmal der Versuch unternommen, von allen Seiten akzeptierbare Thesen zu formulieren. In der Geschichte der KI sei es bisher noch nie vorgekommen, daß bei dem Versuch, Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken, eine der beteiligten Seiten nicht in der entsprechenden Kommission vertreten gewesen sei. Selbst in den Zeiten der härtesten Auseinandersetzungen zwischen den Linken und der Zentrale in der KPD sei den Linken nie ein Platz in irgendeiner Kommission vorenthalten worden. Zwar sei es das Recht der Mehrheit, von der Minderheit Disziplin gegenüber Beschlüssen einzufordern, nicht aber, sie von der Meinungsbildung auszuschließen.

Piecks Anträge, in der Resolution sowohl festzustellen, daß der Rückzug im Oktober notwendig gewesen sei, als auch die Fehler der »Linken« zu benennen, wurden in der Kommission abgelehnt. Statt dessen wurden in der von der Kommission vorgelegten und schließlich auch beschlossenen Resolution für den Rückzug und damit auch die Niederlage einseitig die opportunistischen taktischen Führungsfehler verantwortlich gemacht.

 

Von objektiven Gründen für das Scheitern des »deutschen Oktobers« war dagegen nicht oder nur ganz allgemein die Rede. Zwar hatte Radek im Plenum nochmals vehement gefordert, Piecks Änderungsvorschläge in die Resolution aufzunehmen. Denn, so Radek, werde in den Thesen nicht festgestellt, daß der Rückzug im Oktober notwendig war, bleibe der Hauptvorwurf der »Linken«, die sogenannte Rechte habe nicht gekämpft, obwohl sie hätte kämpfen müssen – und somit der Vorwurf des Verrats – bestehen. Doch Sinowjew schmetterte Radeks Forderung ab. Schließlich stimmten aber auch – »trotz vieler Bedenken«, wie es C. Zetkin formulierte – die Kritiker der Resolution dem Gesamtergebnis der Verhandlungen zu. Sie übergaben dem Präsidiums lediglich noch eine Erklärung, in der sie ihre Kritikpunkte erläuterten.

 

In den Verhandlungen zwischen dem Präsidium des EKKI und den drei Delegationen der KPD wurden keine wirklichen Schlußfolgerungen aus dem gescheiterten »deutschen Oktober« für die späteren Kämpfe gezogen. Zu stark wurden die Verhandlungen von den Machtkämpfen, sowohl innerhalb der RKP(B) als auch innerhalb der KPD, bestimmt. Gleichzeitig spiegelten sie die neuen Verhältnisse in der KI wider, und zwar das gewachsene Gewicht der RKP(B) gegenüber den anderen nationalen kommunistischen Parteien. Die russischen Parteiführer verstanden es, die Probleme der anderen Parteien – hier der KPD – für ihre eigenen Interessen zu funktionalisieren und auf die Gewinnung von Bündnispartnern zu reduzieren.

 

Der Tonfall in den Auseinandersetzungen war im Vergleich zu vorherigen Diskussionen deutlich rauher geworden. Insbesondere Sinowjew war kaum noch bemüht, seine Auffassungen als Vorschläge in die Diskussion einzubringen. Statt dessen stellte er ultimative Forderungen auf, für die er Gefolgschaft einforderte. Damit kann man in den Moskauer Verhandlungen vom Januar 1924 den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der KI sehen – den Beginn eines uneingeschränkten Führungsanspruchs der RKP(B) – bzw. der sich in ihr durchsetzenden Führung –, die das Vertrauen in die Fähigkeiten der westeuropäischen Kommunisten zur Revolution verloren hatte und begann, sich zukünftig auf den Aufbau des Sozialismus in einem Lande zu konzentrieren.

 

Die KI, und mit ihr die KPD, mutierte in der Folge vom Organisator der nicht stattfindenden Weltrevolution zum Werkzeug sowjetischer Außenpolitik. Daß am gleichen Tage, an dem die Verhandlungen endeten – dem 21. Januar 1924 –, Lenin starb, ist natürlich nur ein Zufall, allerdings einer, der die Symbolik des Datums für die grundsätzliche Änderung der Politik der KI durchaus unterstreicht.

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