Kapital 3.580-606
35. Kapitel
Edelmetall und Wechselkurs
1. Die Bewegung des Goldschatzes
„Solange sie ‚von Kapital‘ im eigentlichen Sinne handelt, sieht die aufgeklärte Ökonomie mit der größten Verachtung auf Gold und Silber herab als auf die in der Tat gleichgültigste und nutzloseste Form des Kapitals.
Sobald sie vom Bankwesen handelt, dreht sich das alles um, und Gold und Silber werden das Kapital als solches, für dessen Erhaltung jede andere Form von Kapital und Arbeit geopfert werden muss.
Wodurch aber unterscheiden sich nun Gold und Silber von den anderen Gestalten des Reichtums? Nicht durch die Wertgröße, denn diese ist bestimmt durch die Menge der in ihnen vergegenständlichten Arbeit. Sondern als selbständige ... Ausdrücke  des gesellschaftlichen Charakters des Reichtums...
Dies sein gesellschaftliches Dasein erscheint also als das Jenseits, als Ding, Sache, Ware, neben und außerhalb der wirklichen Elemente des gesellschaftlichen Reichtums. Solange die Produktion flüssig ist, wird dies vergessen.“ K. Marx, Kapital 3. : 588.
„Der Kredit, als ebenfalls gesellschaftliche Form des Reichtums, verdrängt das Geld und usurpiert seine Stelle. Es ist das Vertrauen in den gesellschaftlichen Charakter der Produktion, welches die Geldform der Produkte als etwas nur Verschwindendes und Ideales, als bloße Vorstellung erscheinen lässt. Aber sobald der Kredit erschüttert wird - und diese Phase tritt immer notwendig ein im Zyklus der modernen Industrie -, soll nun aller reale Reichtum wirklich und plötzlich in Geld verwandelt werden, in Gold und Silber, eine verrückte Forderung, die aber notwendig aus dem System selbst hervorgeht. Und alles Gold und Silber, das diesen ungeheuren Ansprüchen genügen soll, beläuft sich auf ein paar Millionen in den Kellern der Bank.“ K. Marx, Kapital 3. : 588f.
„Als Papier hat das Gelddasein der Waren nur ein gesellschaftliches Dasein. Es ist der Glaube, der selig macht. Der Glaube in den Geldwert als immanenten Geist der Waren, der Glaube in die Produktionsweise und ihre prädestinierte Ordnung, der Glaube in die einzelnen Agenten der Produktion als bloße Personifikationen des sich selbst verwertenden Kapitals.“ K. Marx, Kapital 3. : 606. „Das Monetarsystem (= Metallwährung) ist wesentlich katholisch, das Kreditsystem (= Papierwährung, Banknoten) wesentlich protestantisch.“ K. Marx, Kapital 3. : 606.

„Mit Bezug auf den Ab- und Zufluss von Edelmetall ist zu bemerken:
Erstens ist zu unterscheiden zwischen dem Hin- und Herlaufen des Metalls innerhalb des Gebiets, das kein Gold und Silber produziert, einerseits, und andererseits dem Strom des Golds und Silbers von ihren Produktionsquellen über die verschiedenen anderen Länder und der Verteilung dieses Zuschusses unter die letzteren.“ K. Marx, Kapital 3. : 580.
Zweitens. Zwischen den nicht Gold und Silber produzierenden Ländern fließt Edelmetall beständig ab und zu; dasselbe Land importiert davon beständig und exportiert ebenso beständig. Es ist das Überwiegen der Bewegung nach der einen oder anderen Seite, welches entscheidet, ob schließlich Abfluss oder Zufluss stattfindet, da die bloß oszillierenden und oft parallelen Bewegungen sich großenteils neutralisieren.“ K. Marx, Kapital 3. : 581.
Drittens. Das Überwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr und umgekehrt misst sich im ganzen an der Zu- oder Abnahme der Metallreserve in den Zentralbanken.
Wieweit dieser Gradmesser mehr oder minder exakt ist, hängt natürlich zunächst davon ab, wieweit das Bankwesen überhaupt zentralisiert ist. ... Vorausgesetzt aber, dass dies der Fall ist, ist der Gradmesser nicht exakt, weil zuschüssige Einfuhr unter gewissen Umständen aufgesogen wird durch inländische Zirkulation und wachsende Luxusverwendung von Gold und Silber; ferner aber, weil ohne zuschüssige Einfuhr ein Herausziehen von Goldmünze für inländische Zirkulation stattfinden und so der Metallschatz abnehmen könnte, auch ohne gleichzeitige Vermehrung der Ausfuhr.“ K. Marx, Kapital 3. : 582.
Viertens. Eine Metallausfuhr nimmt die Gestalt eines Abflusses ... an, wenn die Bewegung der Abnahme für längere Zeit fortdauert, so dass die Abnahme als Tendenz der Bewegung sich darstellt und die Metallreserve der Bank bedeutend unter ihre mittlere Höhe herabdrückt, bis gegen das mittlere Minimum dieser Reserve hin.
Dies letztere ist insofern mehr oder minder willkürlich festgesetzt, da es durch die Gesetzgebung über die Deckung für Barzahlung der Noten etc. in jedem einzelnen Fall verschieden bestimmt ist.“ K. Marx, Kapital 3. : 582.
Fünftens. Die Bestimmung der Metallreserve der sog. Nationalbank ... ist dreifach
1. Reservefonds für internationale Zahlungen, in einem Wort, Reservefonds von Weltgeld.
2. Reservefonds für die abwechselnd expandierende und kontrahierende inländische und metallische Zirkulation.
3. Was mit der Bankfunktion zusammenhängt und mit den Funktionen des Geldes als bloßen Geldes nichts zu tun hat: Reservefonds für Depositenzahlung und für Konvertibilität von Noten. Er kann daher auch affiziert werden durch Verhältnisse, die jede einzelne dieser drei Funktionen berühren; also als internationaler Fonds durch die Zahlungsbilanz....; als Reservefonds der inländischen metallischen Zirkulation durch deren Ausdehnung oder Einschrumpfung. Die dritte Funktion, als Garantiefonds... wirkt doppelt. Werden Noten ausgegeben, die das Metallgeld.... ersetzen, so fällt die Funktion unter 2 des Reservefonds fort. Und ein Teil des Edelmetalls, der dazu gedient hat, wird dauernd ins Ausland wandern...
Ferner: Muss ein Minimum von Metallschatz für Auszahlung von Depositen und Konvertibilität von Noten unter allen Umständen festgehalten werden, so berührt dies in eigener Art die Wirkungen eines Goldabflusses oder -Zuflusses.“ K. Marx, Kapital 3. : 582f.
Sechstens. Mit Ausnahme von etwa 1837 brach die wirkliche Krise immer los erst nach Wendung der Wechselkurse, d.h. sobald die Einfuhr von Edelmetall über die Ausfuhr wieder die Oberhand gewonnen.“ K. Marx, Kapital 3. : 583.
Siebtens. Sobald die allgemeinen Krisen sich ausgebrannt haben, verteilt sich - abgesehen von dem Zufluss von frischem Edelmetall aus den Produktionsländern - das Gold und Silber wieder in den Verhältnissen, worin es als besonderer Schatz der verschiedenen Länder, im Zustand des Gleichgewichts, existierte.
Bei sonst gleichbleibenden Umständen wird seine relative Größe in jedem Land durch dessen Rolle auf dem Weltmarkt bestimmt sein.“ K. Marx, Kapital 3. : 584.
Achtens. Die Metallabflüsse sind meistens Symptom einer Veränderung in der Lage des auswärtigen Handels, und diese Veränderung ist ihrerseits ein Vorzeichen, dass die Verhältnisse wieder zur Krise heranreifen.“ K. Marx, Kapital 3. : 585.
„In den Wirkungen des Goldabflusses tritt also der Umstand, dass die Produktion nicht wirklich als gesellschaftliche Produktion der gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen ist, schlagend hervor in der Form, dass die gesellschaftliche Form des Reichtums als ein Ding außer ihm existiert.“ K. Marx, Kapital 3. : 589.
Neuntens. Die Zahlungsbilanz kann für Asien (= unterentwickelte Länder) gegen Europa und Amerika (= entwickelte Länder) sein. K. Marx, Kapital 3. : 585.

II. Der Wechselkurs
{„Der Barometer für die internationale  Bewegung der Geldmetalle ist bekanntlich der Wechselkurs.
Hat England mehr Zahlungen zu machen an Deutschland als Deutschland an England, so steigt in London der Preis von Mark, in Sterling ausgedrückt, und in Hamburg und Berlin fällt der Preis von Sterling, ausgedrückt in Mark.
Gleicht sich dies Übergewicht der Zahlungsverpflichtungen Englands an Deutschland nicht wieder aus, z.B. durch überwiegende Einkäufe Deutschlands in England, so muss der Sterlingpreis für Markwechsel auf Deutschland bis zu dem Punkt steigen, wo es sich lohnt, statt Wechsel Metall - Goldgeld oder Barren - aus England in Zahlung nach Deutschland zu schicken. Dies ist der typische Verlauf.
Nimmt dieser Export von Edelmetall stärkeren Umfang und längere Dauer an, so wird die englische Bankreserve angegriffen, und der englische Geldmarkt, voran die Bank von England, muss Schutzmaßregeln ergreifen. Diese bestehen wesentlich ... in Heraufsetzung des Zinsfußes.“ F. Engels}  K. Marx, Kapital 3. : 589f.
„Der auswärtige Wechselkurs kann sich ändern
1. infolge der augenblicklichen Zahlungsbilanz, durch welche Ursachen immer diese bestimmt sei: durch rein merkantilische, durch Kapitalanlage im Ausland oder aber durch Staatsausgaben, bei Kriegen usw., soweit Barzahlungen im Ausland dabei gemacht werden.
2. Infolge von Entwertung des Geldes in einem Land, sei dies nun Metall- oder Papiergeld...
3. Wo es sich um den Kurs zwischen Ländern handelt, von denen das eine Silber, das andere Gold als ‚Geld‘ verwendet, ist der Wechselkurs abhängig von den relativen Wertschwankungen dieser beiden Metalle.“ K. Marx, Kapital 3. : 605.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg