Kapital 3. 383 - 395

“Wenn man die Umschlagszyklen betrachtet, worin sich die moderne Industrie bewegt - Zustand der Ruhe, wachsende Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krach, Stagnation, Zustand der Ruhe etc. - Zyklen, deren weitere Analyse außerhalb unserer Betrachtung fällt -, so wird man finden, dass meist niedriger Stand des Zinses den Perioden der Prosperität oder des Extraprofits entspricht, Steigen des Zinses der Scheide zwischen der Prosperität und ihrem Umschlag, Maximum des Zinses bis zur äußersten Wucherhöhe aber der Krisis. ... Allerdings kann andererseits niedriger Zins mit Stockung, und mäßig steigender Zins mit wachsender Belebung zusammengehen.
Der Zinsfuß erreicht seine äußerste Höhe, während der Krisen, wo geborgt werden muss, um zu zahlen, was es auch koste. Es ist dies zugleich, da dem Steigen des Zinses ein Fallen im Preis der Wertpapiere entspricht, eine sehr artige Gelegenheit für Leute mit disponiblem Geldkapital, um sich zu Spottpreisen solcher zinstragenden Papiere zu bemächtigen....“ K. Marx, Kapital 3.: 372 - 373.
„Da der Zins bloß ein Teil des Profits ist, der nach unserer bisherigen Voraussetzung vom industriellen Kapitalisten an den Geldkapitalisten zu zahlen ist, so erscheint als Maximalgrenze des Zinses der Profit selbst, wo der Teil, der dem fungierenden Kapitalisten zufiele = 0 wäre.
Abgesehen von einzelnen Fällen, wo der Zins tatsächlich größer als der Profit sein kann, dann aber auch nicht aus dem Profit gezahlt werden kann, könnte man vielleicht als Maximalgrenze des Zinses betrachten den ganzen Profit minus dem später unten zu entwickelnden Teil desselben, der in Aufsichtslohn ... auflösbar ist.
Die Minimalgrenze des Zinses ist ganz und gar unbestimmbar. Er kann zu jeder beliebigen Tiefe fallen.“ K. Marx, Kapital 3.: 370.
„Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine ‚natürliche‘ Zinsrate gibt. Wenn aber auf der einen Seite .... kein allgemeines Gesetz feststellbar ist...., erscheint umgekehrt der Zinsfuß, sei es der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Größe als dies bei der allgemeinen Profitrate der Fall ist.“ K. Marx, Kapital 3.: 377.
“Was aber die beständig schwankende Marktrate des Zinses betrifft, so ist sie in jedem Moment als fixe Größe gegeben, wie der Marktpreis der Waren, weil auf dem Geldmarkt beständig alles leihbare Kapital als Gesamtmasse dem fungierenden Kapital gegenübersteht, also das Verhältnis des Angebots von leihbarem Kapital auf der einen Seite, die Nachfrage darnach auf der anderen den jedesmaligen Marktstand des Zinses entscheidet.
Dies ist um so mehr der Fall, je mehr die Entwicklung und damit verbundene Konzentration des Kreditwesens dem leihbaren Kapital einen allgemein gesellschaftlichen Charakter gibt, und es auf einmal, gleichzeitig auf den Geldmarkt wirft.“ K. Marx, Kapital 3.: 379.

23. Kapitel
Zins und Unternehmergewinn
„Der Zins, wie wir in den beiden vorhergehenden Kapiteln gesehen, erscheint ursprünglich, ist ursprünglich, und bleibt in Wirklichkeit nichts als ein Teil des Profits, d.h. des Mehrwerts, den der fungierende Kapitalist, Industrieller oder Kaufmann, soweit er nicht sein eigenes Kapital, sondern geliehenes Kapital anwendet, wegzahlen muss an den Eigentümer und Verleiher dieses Kapitals. Wendet er nur eigenes Kapital an, so findet keine solche Teilung des Profits statt; dieser gehört ihm ganz.“ K. Marx, Kapital 3. S. 383.
„Es ist in der Tat nur die Trennung der Kapitalisten in Geldkapitalisten und industrielle Kapitalisten, die einen Teil des Profits in Zins verwandelt, die überhaupt die Kategorie des Zinses schafft; und es ist nur die Konkurrenz zwischen diesen beiden Sorten Kapitalisten, die den Zinsfuß schafft.“ K. Marx, Kapital 3. S. 383.
„Die Frage, die sich nun aufwirft, ist diese. Wie kommt es, dass diese rein quantitative Teilung des Profits in Nettoprofit und Zins in eine qualitative umschlägt (d.h. in eine Teilung, wo sich die Einzelteile wesentlich unterscheiden)?
In anderen Worten, wie kommt es, dass auch der Kapitalist, der nur sein eigenes, kein geliehenes Kapital anwendet, einen Teil seines Bruttoprofits unter die besondere Kategorie des Zinses rangiert und als solchen besonders berechnet?
Und daher weiter, dass alles Kapital, geliehenes oder nicht, als zinstragendes von sich selbst als Nettoprofit bringendem unterschieden wird?“ K. Marx, Kapital 3. S. 385.
„Um die Frage zu beantworten, müssen wir noch etwas länger verweilen bei dem wirklichen Ausgangspunkt der Zinsbildung; d.h. ausgehen von der Unterstellung, dass Geldkapitalist und produktiver Kapitalist sich wirklich gegenüberstehen, ... als Personen, ... in deren Hand dasselbe Kapital wirklich eine doppelte und gänzlich verschiedene Bewegung durchmacht. Der eine verleiht es nur, der andere wendet es produktiv an.“ K. Marx, Kapital 3. S. 385.
„Für den produktiven Kapitalisten, der mit geliehenem Kapital arbeitet, zerfällt der Bruttoprofit in zwei Teile, den Zins, den er dem Verleiher zu zahlen hat, und den Überschuss über den Zins, der seinen eigenen Anteil am Profit bildet.
Ist die allgemeine Profitrate gegeben, so ist dieser letztere Teil bestimmt durch den Zinsfuß; ist der Zinsfuß gegeben, so durch die allgemeine Profitrate.
Und ferner: wie immer der Bruttoprofit, die wirkliche Wertgröße des Gesamtprofits, in jedem einzelnen Fall abweichen mag von dem Durchschnittsprofit: der Teil, der dem fungierenden Kapitalisten gehört, ist bestimmt durch den Zins, da dieser durch den allgemeinen Zinsfuß... fixiert und als vorweggenommen vorausgesetzt ist, bevor der Produktionsprozess beginnt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 386.
a) Verselbständigung des Gegensatzes von Zins und Unternehmergewinn:
„Wir haben gesehen, dass das eigentliche spezifische Produkt des Kapitals der Mehrwert, näher bestimmt der Profit ist. Aber für den Kapitalisten, der mit geborgtem Kapital arbeitet, ist es nicht der Profit, sondern der Profit minus dem Zins...
Dieser Teil des Profits erscheint ihm also notwendig als Produkt des Kapitals, soweit es fungiert (= tätig wird); und dies ist für ihn wirklich, denn er vertritt das Kapital nur als fungierendes...
Im Gegensatz zum Zins, den er aus dem Bruttoprofit an den Verleiher wegzuzahlen hat, nimmt der ihm zufallende noch übrige Teil des Profits also notwendig die Form des industriellen bzw. kommerziellen Profits an, oder um ihn mit einem deutschen Ausdruck zu bezeichnen, der beides einschließt, die Gestalt des Unternehmergewinns.“ K. Marx, Kapital 3. S. 386.
„Nun hat man aber gesehen, dass die Profitrate ... nicht nur vom Mehrwert abhängt, sondern von vielen anderen Umständen:
von den Einkaufspreisen der Produktionsmittel,
von mehr als durchschnittlich produktiven Methoden,
von der Ökonomisierung des konstanten Kapitals etc.
Und abgesehen vom Produktionspreis, hängt es von besonderen Konjunkturen und bei jedem einzelnen Geschäftsabschluss von der größeren oder geringeren Schlauheit und Betriebsamkeit des Kapitalisten ab, ob und inwieweit dieser über oder unter dem Produktionspreis ein- oder verkauft, sich also innerhalb des Zirkulationsprozesses einen größeren oder geringeren Teil vom Gesamtmehrwert aneignet.“ K. Marx, Kapital 3. S. 386f.
„Jedenfalls aber verwandelt sich die quantitative Teilung des Rohprofits hier in eine qualitative, und dies um so mehr, als die quantitative Teilung selbst davon abhängt, was zu verteilen ist, wie der aktive Kapitalist mit dem Kapital wirtschaftet und welchen Rohprofit es ihm ... infolge seiner Funktionen als aktiver Kapitalist abwirft.
Der fungierende Kapitalist ist hier unterstellt als Nichteigentümer des Kapitals. Das Eigentum am Kapital ist ihm gegenüber vertreten durch den Verleiher, den Geldkapitalisten.
Der Zins, den er an diesen zahlt, erscheint also als der Teil des Rohprofits, der dem Kapitaleigentum als solchem zukommt.
Im Gegensatz hierzu erscheint der Teil des Profits, der dem aktiven Kapitalisten zufällt, jetzt als Unternehmergewinn, entspringend ausschließlich aus ... den Funktionen, die er als Unternehmer in der Industrie oder dem Handel verrichtet.“ K. Marx, Kapital 3. S. 387.
“Ihm gegenüber erscheint also der Zins als bloße Frucht des Kapitaleigentums, des Kapitals an sich, ... soweit es nicht ‚arbeitet’, nicht fungiert;
während ihm der Unternehmergewinn erscheint als ausschließliche Frucht der Funktionen, die er mit dem Kapital verrichtet, als Frucht der Bewegung und des Prozessierens des Kapitals, eines Prozessierens, das ihm nun als seine eigene Tätigkeit erscheint im Gegensatz zur Nichttätigkeit ... des Geldkapitalisten am Produktionsprozess.
Diese qualitative (= wesensmäßige) Scheidung zwischen den beiden Teilen des Rohprofits ... ist keineswegs bloß subjektive Auffassung des Geldkapitalisten hier und des industriellen Kapitalisten dort.
Sie beruht auf objektiver Tatsache, denn der Zins fließt dem Geldkapitalisten, dem Leiher zu, der bloßer Eigentümer des Kapitals ist, also das bloße Kapitaleigentum vertritt vor dem Produktionsprozess und außerhalb des Produktionsprozesses;

und der Unternehmergewinn fließt dem bloß fungierenden Kapitalisten zu, der Nichteigentümer des Kapitals ist.“ K. Marx, Kapital 3. S. 387.
“Sowohl für den industriellen Kapitalisten, soweit er mit geborgtem Kapital arbeitet, wie für den Geldkapitalisten, soweit er sein Kapital nicht selbst anwendet, schlägt hiermit die bloß quantitative Teilung des Bruttoprofits zwischen zwei verschiedenen Personen ... um in eine qualitative Teilung (, die scheinbar von der Sache selber herrührt).
Der eine Teil des Profits erscheint nun als an und für sich zukommende Frucht des Kapitals in einer Bestimmung, als Zins; der andere Teil erscheint als spezifische Frucht des Kapitals in einer entgegengesetzten Bestimmung und daher als Unternehmergewinn;
der eine als bloße Frucht des Kapitaleigentums, der andere als Frucht des bloßen Fungierens mit dem Kapital ... oder der Funktionen, die der aktive Kapitalist ausübt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 388.
Qualitativ betrachtet ist der Zins Mehrwert, den das bloße Eigentum des Kapitals liefert, den das Kapital an sich abwirft, ... den also Kapital abgesondert von seinem Prozess abwirft.
Quantitativ betrachtet erscheint der Teil des Profits, der den Zins bildet, nicht auf das industrielle und kommerzielle Kapital als solches, sondern auf das Geldkapital bezogen, und die Rate dieses Teils des Mehrwerts, die Zinsrate oder der Zinsfuß, befestigt dies Verhältnis.
Denn erstens wird der Zinsfuß - trotz seiner Abhängigkeit von der allgemeinen Profitrate - selbständig bestimmt, und zweitens erscheint er ... der unfassbaren Profitrate gegenüber als bei allem Wechsel festes, uniformes, handgreifliches und stets gegebnes Verhältnis.
Befände sich alles Kapital in den Händen der industriellen Kapitalisten, so existierte kein Zins und kein Zinsfuß. Die selbständige Form, die die quantitative Teilung des Rohprofits annimmt, erzeugt die qualitative.“ K. Marx, Kapital 3. S. 390.
„Und diese Verknöcherung und Verselbständigung der beiden Teile des Rohprofits gegeneinander, als wenn sie aus zwei wesentlich verschiedenen Quellen herrührten, muss sich nun für die gesamte Kapitalistenklasse und für das Gesamtkapital festsetzen.
Und zwar einerlei, ob das vom aktiven Kapitalisten angewandte Kapital geborgt sei oder nicht oder ob das dem Geldkapitalisten gehörende Kapital von ihm selbst angewandt werde oder nicht.
Der Profit jedes Kapitals... wird zerlegt in zwei qualitative verschiedene, gegeneinander selbständige und von einander unabhängige Teile, Zins und Unternehmergewinn...
Der Anwender des Kapitals, auch wenn er mit eigenem Kapital arbeitet, zerfällt in zwei Personen, den bloßen Eigentümer des Kapitals und den Anwender des Kapitals;
sein Kapital selbst... zerfällt in Kapitaleigentum, Kapital außer dem Produktionsprozess, das an sich Zins abwirft, und Kapital im Produktionsprozess, das ... Unternehmergewinn abwirft.“ K. Marx, Kapital 3. S. 388.
„Der Zins befestigt sich also derart, dass er nun nicht als eine der Produktion gleichgültige Teilung des Bruttoprofits auftritt, die nur dann gelegentlich stattfindet, wenn der Industrielle mit fremdem Kapital arbeitet.
Auch wenn er mit eigenem Kapital arbeitet, spaltet sich sein Profit in Zins und Unternehmergewinn.“ K. Marx, Kapital 3. S. 388.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg