Kapital 1.: 565-588

17. Kapitel: Verwandlung von Wert bzw. Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn.
Der Kapitalist wendet die Arbeitskraft einen ganzen Arbeitstag an und er bezahlt für diese ganztägige Verwendung. Zahlt er also den vollen Gegenwert dessen, was ihn die Verwendung der Arbeitskraft einbringt? Wenn das so wäre, dann würde sich das für ihn nicht lohnen. Der Arbeiter bekäme das gesamte Wertprodukt.
Trotzdem wird der Arbeiter nicht vom Kapitalisten betrogen. Der Kapitalist bezahlt eben nicht für das Arbeitsprodukt des Arbeiters, sondern nur für den Lebensunterhalt des Arbeiters. Die Kosten für den Lebensunterhalt des Arbeiters sind immer geringer als das Wertprodukt seiner Arbeit. Anders ausgedrückt: Die Lohnarbeiter schaffen (in aller Regel) ein größeres Wertprodukt als sie für ihren Lebensunterhalt benötigen. Dieser Überschuss über die notwendige Arbeitszeit fällt als Mehrwert an den Kapitalisten.
Diese Tatsache ist aber durch die Form der Lohnzahlung verdeckt. Die Lohnarbeiter bekommen „für den ganzen Arbeitstag“ Lohn. Daraus zieht sich leicht der falsche Schluss, dass alle Arbeit des Arbeiters bezahlte Arbeit sei.
Dieser falsche Schein wird noch verstärkt durch die Formen des Arbeitslohnes: dass der Lohn mit der Länge der Arbeitszeit wechselt (Zeitlohn), und dass verschiedene Arbeiter für unterschiedliche Arbeitsleistung unterschiedlichen Lohn bekommen (Akkord-, und Prämienlohn).

18. Kapitel

Der Zeitlohn

„Der Arbeitslohn nimmt selbst wieder sehr mannigfaltige Formen an ... Die zwei herrschenden Grundformen (sind) hier kurz zu entwickeln.“ K. Marx, Kapital I.: 565.

„Der Verkauf der Arbeitskraft findet... stets für bestimmte Zeitperioden statt. Die verwandelte Form, worin der Tageswert, Wochenwert usw. der Arbeitskraft sich unmittelbar darstellt, ist daher die des ‚Zeitlohns“, also Tageslohn usw.
Es ist nun zunächst zu bemerken, dass die im fünfzehnten Kapitel (Größenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwert) dargestellten Gesetze über den Größenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwert sich durch einfache Formveränderung in Gesetze des Arbeitslohns verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied zwischen dem Tauschwert der Arbeitskraft und der Masse der Lebensmittel, worin sich dieser Wert umsetzt, jetzt als Unterschied von nominellem und reellem Arbeitslohn. Es wäre nutzlos, in der Erscheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits entwickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den Zeitlohn charakterisierende Punkte.“ K. Marx, Kapital I.: 656.

„Die Maßeinheit des Zeitlohns, der Preis der Arbeitsstunde, ist der Quotient des Tageswerts der Arbeitskraft, dividiert durch die Stundenzahl des gewohnheitsmäßigen Arbeitstags.“ K. Marx, Kapital I.: 567.

„Die Geldsumme, die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenarbeit usw. erhält, bildet den Betrag seines nominellen ... Arbeitslohns.
Es ist aber klar, dass je nach der Länge des Arbeitstags, also je nach der täglich von ihm gelieferten Quantität Arbeit, derselbe Tageslohn, Wochenlohn usw. einen sehr verschiedenen Preis der Arbeit, d. h. sehr verschiedene Geldsummen für dasselbe Quantum Arbeit darstellen kann.“ K. Marx, Kapital I.: 565

„Ist z.B. der Tageswert der Arbeitskraft 100 Euro, das Wertprodukt von 4 Arbeitsstunden und ist der Arbeitstag achtstündig, so ist der Preis einer Arbeitsstunde 12,50 Euro. Der so gefundene Preis der Arbeitsstunde dient als Einheitsmaß für den Preis der Arbeit.
Es folgt daher, dass der Taglohn, Wochenlohn usw. derselbe bleiben kann, obgleich der Preis der Arbeit fortwährend sinkt. War z. B. der gewohnheitsmäßige Arbeitstag 8 Stunden und der Tageswert der Arbeitskraft 100 Euro, so betrug der Preis der Arbeitsstunde 12,50 Euro. Er sinkt auf 11,11 Euro, sobald der Arbeitstag zu 9 Stunden, und auf 10 Euro, sobald er zu 10 Stunden steigt.“ K. Marx, Kapital I.: 566.

„Die Bestimmung des Arbeitspreises durch ‚Tageswert der Arbeitskraft : Arbeit von gegebener Stundenzahl“ ergibt, dass bloße Verlängerung des Arbeitstages den Arbeitspreis senkt, wenn keine Kompensation eintritt.“ K. Marx, Kapital I.: 571
„Es gibt also von der Schmälerung des nominellen Tages- oder Wochenlohnes unabhängige Methoden zur Herabsetzung des Preises der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 567.

„Bei längerer Beschäftigung und größerer Anstrengung können die Arbeitslöhne beträchtlich anwachsen, während der Preis der Arbeit derselbe bleiben kann.“ K. Marx, Kapital I.: 566, Anm. 32.
Beispiel: Tageslohn = 100 Euro für 8 Std. Steigt der Lohn auf 125 Euro für 10 Std., dann bleibt der „Preis der Arbeit“ derselbe.

Überstundenzuschläge bei niedrigem Lohnniveau führen dazu „... dass der niedrige Preis der Arbeit während der sog. Normalzeit dem Arbeiter die besser bezahlte Überzeit aufzwingt, will er überhaupt einen genügenden Arbeitslohn herausschlagen. Gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags macht diesem Vergnügen ein Ende.“ K. Marx, Kapital I.: 569.

„Es ist allgemein bekannte Tatsache, dass, je länger der Arbeitstag in einem Industriezweig, um so niedriger der Arbeitslohn... Die Niedrigkeit des Arbeitspreises wirkt hier als Sporn zur Verlängerung der Arbeitszeit.“ K. Marx, Kapital I.: 570.

19. Kapitel

Der Stücklohn

„Der Stücklohn ist nichts als verwandelte Form des Zeitlohns, wie der Zeitlohn die verwandelte Form des Wertes oder Preises der Arbeitskraft ist.“ K. Marx, Kapital I.: 574.
„Es handelt sich nicht darum, den Wert des Stücks durch die in ihm verkörperte Arbeitszeit zu messen, sondern umgekehrt die vom Arbeiter verausgabte Arbeit durch die Zahl der von ihm produzierten Stücke. Beim Zeitlohn misst sich die Arbeit an ihrer unmittelbaren Zeitdauer, beim Stücklohn am Produktenquantum, worin Arbeit während bestimmter Zeitdauer verdichtet... Der Stücklohn ist also nur eine modifizierte Form des Zeitlohns.“ K. Marx, Kapital I.: 576.

„Betrachten wir nun etwas näher die charakteristischen Eigentümlichkeiten des Stücklohns.

Die Qualität der Arbeit ist hier durch das Werk selbst kontrolliert, das die durchschnittliche Güte besitzen muss... Der Stücklohn wird nach dieser Seite hin zu fruchtbarster Quelle von Lohnabzügen und kapitalistischer Prellerei.
Er bietet den Kapitalisten ein ganz bestimmtes Maß für die Intensität der Arbeit. Nur Arbeitszeit, die sich in einem vorher bestimmten und erfahrungsmäßig festgesetzten Warenquantum verkörpert, gilt als gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und wird als solche bezahlt.“ K. Marx, Kapital I.: 576.
„Da Qualität und Intensität der Arbeit hier durch die Form des Arbeitslohns selbst kontrolliert werden, macht sie großen Teil der Arbeitsaufsicht überflüssig. ...
Den Stücklohn gegeben, ist es natürlich das persönliche Interesse des Arbeiters, seine Arbeitskraft möglichst intensiv anzuspannen, was dem Kapitalisten eine Erhöhung des Normalgrads der Intensität erleichtert.“ K. Marx, Kapital I.: 577.

„Beim Zeitlohn herrscht mit wenigen Ausnahmen gleicher Arbeitslohn für dieselben Funktionen, während beim Stücklohn der Preis der Arbeitszeit zwar durch ein bestimmtes Produktquantum gemessen ist, der Tages- oder Wochenlohn dagegen wechselt mit der individuellen Verschiedenheit der Arbeiter, wovon der eine nur das Minimum des Produkts in einer gegebenen Zeit liefert, der andere den Durchschnitt, der dritte mehr als den Durchschnitt.
In Bezug auf die wirkliche Einnahme treten hier also große Differenzen ein je nach dem verschiedenen Geschick, Kraft, Energie, Ausdauer usw. der individuellen Arbeiter.
Dies ändert natürlich nichts an dem allgemeinen Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit.
Erstens gleichen sich die individuellen Unterschiede für die Gesamtwerkstatt aus, so dass sie in einer bestimmten Arbeitszeit das Durchschnittsprodukt liefert und der gezahlte Gesamtlohn der Durchschnittslohn des Geschäftszweigs sein wird.
Zweitens bleibt die Proportion zwischen Arbeitslohn und Mehrwert unverändert, da dem individuellen Lohn des einzelnen Arbeiters die von ihm individuell gelieferte Masse von Mehrwert entspricht.“ K. Marx, Kapital I.: 578-579.
„Aber der größere Spielraum, den der Stücklohn der Individualität bietet, strebt einerseits dahin, die Individualität und damit Freiheitsgefühl, Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter zu entwickeln, andrerseits ihre Konkurrenz unter- und gegeneinander. Er hat daher die Tendenz, mit der Erhebung individueller Arbeitslöhne über das Durchschnittsniveau dies Niveau selbst zu senken.“ K. Marx, Kapital I.: 579.

„Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich, dass der Stücklohn die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechendste Form des Arbeitslohns ist.“ K. Marx, Kapital I.: 580.
„In den dem Fabrikgesetz unterworfenen Werkstätten wird Stücklohn allgemeine Regel, weil das Kapital dort den Arbeitstag nur noch intensiv ausweiten kann.“ K. Marx, Kapital I.: 581.

Stücklohn bei Revolutionen in der Technologie: „Mit der wechselnden Produktivität der Arbeit stellt dasselbe Produktenquantum wechselnde Arbeitszeiten dar. Also wechselt auch der Stücklohn, da er Preisausdruck einer bestimmten Arbeitszeit ist...  In anderen Worten: Der Stücklohn wird in demselben Verhältnis heruntergesetzt, worin die Zahl der während derselben Zeit produzierten Stücke wächst, also die auf dasselbe Stück verwandte Arbeitszeit abnimmt.
Dieser Wechsel des Stücklohns ... ruft beständige Kämpfe zwischen Kapitalist und Arbeiter hervor. Entweder, weil der Kapitalist den Vorwand benutzt, um wirklich den Preis der Arbeit herabzusetzen, oder weil die gesteigerte Produktivkraft der Arbeit von gesteigerter Intensität derselben begleitet ist. Oder weil der Arbeiter den Schein des Stücklohns, als ob ihm sein Produkt gezahlt werde und nicht seine Arbeitskraft, ernst nimmt und sich daher gegen eine Lohnherabsetzung sträubt...„ K. Marx, Kapital I.: 581-582.

20. Kapitel

Nationale Verschiedenheit der Arbeitslöhne

„Im fünfzehnten Kapitel (Größenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwert) beschäftigten uns die mannigfachen Kombinationen, welche einen Wechsel in der absoluten oder relativen (d. h. mit dem Mehrwert verglichenen) Wertgröße der Arbeitskraft hervorbringen kann, während andererseits wieder das Quantum von Lebensmitteln, worin der Preis der Arbeitskraft realisiert wird, von dem Wechsel dieses Preises unabhängige oder verschiedene Bewegungen durchlaufen konnte.

Was innerhalb dieser Bewegung als wechselnde Kombination auftritt, kann für verschiedene Länder als gleichzeitige Verschiedenheit nationaler Arbeitslöhne erscheinen. Beim Vergleich nationaler Arbeitslöhne sind also alle den Wechsel in der Wertgröße der Arbeitskraft bestimmende Momente zu erwägen, Preis und Umfang der natürlichen und historisch entwickelten ersten Lebensbedürfnisse, Erziehungskosten des Arbeiters, Rolle der Weiber- und Kinderarbeit, Produktivität der Arbeit, ihre extensive und intensive Größe.“ K. Marx, Kapital I.: 583.

„Die mittlere Intensität der Arbeit wechselt von Land zu Land; sie ist hier größer, dort kleiner. Diese nationalen Durchschnitte bilden also eine Stufenleiter, deren Maßeinheit der Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist. Verglichen mit der weniger intensiven, produziert also die intensivere nationale Arbeit in gleicher Zeit mehr Wert, der sich in mehr Geld ausdrückt.“ K. Marx, Kapital I.: 584.

“Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, dass auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken.“ K. Marx, Kapital I.: 584.

„Im Maß wie in einem Lande die kapitalistische Produktion entwickelt ist, im selben Maß erheben sich dort auch die nationale Intensität und Produktivität der Arbeit über das internationale Niveau

Die verschiedenen Warenquanta derselben Art, die in verschiedenen Ländern in gleicher Arbeitszeit produziert werden, haben also ungleiche internationale Werte, die sich in verschiedenen Preisen ausdrücken.... Der relative Wert des Geldes wird also kleiner sein bei der Nation mit entwickelterer kapitalistischer Produktionsweise als bei der mit weniger entwickelter.
Folgt also, dass der nominelle Arbeitslohn .... ebenfalls höher sein wird bei der ersten Nation als bei der zweiten, was keineswegs besagt, dass dies auch für den wirklichen Lohn gilt, d.h. für die dem Arbeiter zur Verfügung gestellten Lebensmittel.“  K. Marx, Kapital I.: 584.

„Aber auch abgesehen von dieser relativen Verschiedenheit des Geldwertes in verschiedenen Ländern wird man häufig finden, dass der Tages-, Wochen, etc. Lohn bei der ersten (produktiveren) Nation höher ist als bei der zweiten (rückständigen), während der relative Arbeitspreis, d.h. der Arbeitspreis im Verhältnis sowohl zum Mehrwert wie zum Wert des Produkts bei der zweiten (rückständigen) Nation höher steht als bei der ersteren.“ K. Marx, Kapital I.: 584.

(„Der Arbeitspreis im Verhältnis zum Wert des Produkts“ entspricht ungefähr der heutigen Berechnung der Lohnstückkosten.
Produktivere Länder haben vielleicht ein absolut ein höheres Lohnniveau, das aber relativ zum Wert des Produkts niedriger liegen kann als in weniger entwickelten Ländern. Die Ausbeutungsrate ist dann im entwickelteren Land höher.
Anders ausgedrückt: Die Löhne in weniger entwickelten Ländern können relativ zu den kapitalistischen Metropolen sehr niedrig sein, aber relativ zu Arbeitsproduktivität und der Mehrwertproduktion in dem rückständigen Land können sie höher stehen.
In dem rückständigen Land produziert dann jeder Arbeiter weniger Mehrwert als ein Arbeiter in dem entwickelten Land.)

 „Der Arbeitslohn ... ist nach einer Seite hin durch ein Naturgesetz reguliert; seine Minimalgrenze ist gegeben durch das physische Minimum von Lebensmitteln, das der Arbeiter beziehen muss, um seine Arbeitskraft zu erhalten und zu reproduzieren; also durch ein bestimmtes Quantum Waren. Der Wert dieser Waren ist bestimmt durch die Arbeitszeit, die ihre Reproduktion erheischt.... Sind z.B. seine durchschnittlichen täglichen Lebensmittel dem Wert nach = 4 Stunden Durchschnittsarbeit, so muss er durchschnittlich 4 Stunden seiner Tagesarbeit für sich selbst arbeiten.
Der wirkliche Wert seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen Minimum ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den physischen, sondern auch von den historisch entwickelten gesellschaftlichen Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden. Aber in jedem Land zu einer gegebenen Periode ist dieser regulierende durchschnittliche Arbeitslohn eine gegebene Größe.“ K. Marx, Kapital III. : 866.

Wal Buchenberg