1.: 504-526 8. Revolutionierung von Manufaktur, Handwerk und
Heimarbeit durch die große Industrie. 9. Fabrikgesetzgebung. (Gesundheits- und Erziehungsklauseln.) Ihre Verallgemeinerung in England „Die Fabrikgesetzgebung,
die erste bewusste und planmäßige Rückwirkung der Gesellschaft auf die
naturwüchsige Gestalt ihres Produktionsprozesses, ist, wie man gesehen,
ebenso sehr ein notwendiges Produkt der großen Industrie als Baumwollgarn,
Spinnmaschinen und der elektrische Telegraph.“ K. Marx, Kapital I.:
504. „Bevor wir zu ihrer
Verallgemeinerung in England übergehen, sind noch einige nicht auf die
Stundenzahl des Arbeitstages bezügliche Klauseln der englischen
Fabrikgesetzgebung
kurz zu erwähnen. ... Was könnte die
kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die
Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten
Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuzwingen?“ K. Marx,
Kapital I.: 505. „Zugleich zeigt dieser
Zweig des Fabrikakts schlagend, wie die kapitalistische Produktionsweise
ihrem Wesen nach über einen gewissen Punkt hinaus jede rationelle
Verbesserung ausschließt. Es ward wiederholt bemerkt, dass die englischen
Ärzte aus einem Munde 150 Liter Luftraum per Person für kaum
genügendes Minimum bei fortgesetzter Arbeit erklären... so würde die
gesetzliche Erzwingung des nötigen Luftraums für jeden Arbeiter in
der Werkstätte Tausende von kleinen Kapitalisten mit einem Schlag direkt
expropriieren... Vor diesen 150 Liter Luft geht daher der
Fabrikgesetzgebung der Atem aus.“ K. Marx, Kapital I.:
506. "Was also in dieser
englischen Gesetzgebung von 1867 auffällt, ist einerseits die dem
Parlament der herrschenden Klassen aufgezwungne Notwendigkeit, so
außerordentlich und ausgedehnte Maßregeln gegen die Übergriffe der
kapitalistischen Ausbeutung im Prinzip anzunehmen; andrerseits die
Halbheit, der Widerwille und die bösen Absichten, womit es diese
Maßregeln dann wirklich ins Leben rief." K. Marx, Kapital I.:
519. „Armselig, wie die
Erziehungsklauseln des Fabrikakts im ganzen erscheinen, proklamieren sie
den Elementarunterricht als Zwangsbedingung der Arbeit. Ihr Erfolg bewies
zuerst die Möglichkeit der Verbindung von Unterricht und Gymnastik mit
Handarbeit, also auch von Handarbeit mit Unterricht und Gymnastik.“ K.
Marx, Kapital I.: 506-507. „Wenn die
Fabrikgesetzgebung als erste, dem Kapital notdürftig abgerungene
Konzession nur Elementarunterricht mit fabrikmäßiger Arbeit verbindet,
unterliegt es keinem Zweifel, dass die unvermeidliche Eroberung der
politischen Gewalt durch die Arbeiterklasse auch dem technologischen
Unterricht, theoretisch und praktisch, seinen Platz in den Arbeiterschulen
erobern wird.“ K. Marx, Kapital I.: 512. „Aus dem Fabriksystem,
wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen kann, entspross der Keim der
Erziehung der Zukunft, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter
produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur
als Methode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als
die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen. Man
hat gesehen, dass die große Industrie die manufakturmäßige Teilung der
Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Fesselung eines ganzen Menschen
an eine Detailoperation technisch aufhebt, während zugleich die
kapitalistische Form der großen Industrie jene Arbeitsteilung noch
monströser reproduziert, in der eigentlichen Fabrik durch Verwandlung des
Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Teilmaschine, überall sonst
teils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und der Maschinenarbeit,
teils durch Einführung von Weiber-, Kinder- und ungeschickter Arbeit als
neuer Grundlage der Arbeitsteilung. Der Widerspruch zwischen der
manufakturmäßigen Teilung der Arbeit und dem Wesen der großen Industrie
macht sich gewaltsam geltend.“ K. Marx, Kapital I.:
508. „Was von der
manufakturmäßigen Teilung der Arbeit im Innern der Werkstatt, gilt von der
Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft. Solange Handwerk und
Manufaktur die allgemeine Grundlage der gesellschaftlichen Produktion
bilden, ist die Unterordnung des Produzenten unter einen
ausschließlichen Produktionszweig, die Zerreißung der ursprünglichen
Mannigfaltigkeit seiner Beschäftigungen, ein notwendiges
Entwicklungsmoment. Auf jener Grundlage findet jeder besondere
Produktionsprozess empirisch die ihm entsprechende technische Gestalt,
vervollkommnet sie langsam und kristallisiert sich rasch, sobald ein
gewisser Reifegrad erlangt ist. ... Die erfahrungsmäßig entsprechende Form
einmal gewonnen, verknöchert auch es, wie sein oft jahrtausendlanger
Übergang aus der Hand einer Generation in die der anderen beweist. Es ist
charakteristisch, dass bis ins 18. Jahrhundert hinein die besonderen
Gewerke Mysterien hießen, in deren Dunkel nur der ... Eingeweihte eindringen
konnte. Die große Industrie
zerriss den Schleier, der den Menschen ihren eigenen gesellschaftlichen
Produktionsprozess versteckte und die verschiedenen naturwüchsig
besonderten Produktionszweige gegeneinander und sogar in jedem Zweig
Eingeweihten zu Rätseln machte. Ihr Prinzip, jeden
Produktionsprozess ... in seine konstituierenden Elemente aufzulösen,
schuf die ganz moderne Wissenschaft der Technologie.
... Die Technologie entdeckte
ebenso die wenigen großen Grundformen der Bewegung, worin alles produktive
Tun des menschlichen Körpers, trotz aller Mannigfaltigkeit der angewandten
Instrumente, notwendig vorgeht, ganz so, wie die Mechanik durch die größte
Kompliziertheit der Maschinerie sich über die beständige Wiederholung der
einfachen mechanischen Potenzen nicht täuschen
lässt. Die moderne Industrie
betrachtet und behandelt die vorhandne Form eines Produktionsprozesses nie
als definitiv. Ihre technische Basis ist daher revolutionär, während die
aller früheren Produktionsweisen wesentlich konservativ
war. Durch Maschinerie,
chemische Prozesse und andre Methoden wälzt sie beständig mit der
technischen Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die
gesellschaftlichen Kombinationen des Arbeitsprozesses um. Sie
revolutioniert damit ebenso beständig die Teilung der Arbeit im Innern der
Gesellschaft und schleudert unaufhörlich Kapitalmassen und Arbeitermassen
aus einem Produktionszweig in den andern. Die Natur der großen
Industrie bedingt daher Wechsel der Arbeit, Fluss der Funktion, allseitige
Beweglichkeit des Arbeiters. Andrerseits reproduziert
sie in ihrer kapitalistischen Form die alte Teilung der Arbeit mit ihren
knöchernen Einseitigkeiten. Man hat gesehen, wie dieser absolute
Widerspruch alle Ruhe, Festigkeit, Sicherheit der Lebenslage des Arbeiters
aufhebt, ihm mit dem Arbeitsmittel beständig das Lebensmittel aus der Hand
zu schlagen und mit seiner Teilfunktion ihn selbst überflüssig zu machen
droht. ... Dies ist die negative Seite. Wenn aber der Wechsel der
Arbeit sich jetzt nur als überwältigendes Naturgesetz und mit der blind
zerstörenden Wirkung eines Naturgesetzes durchsetzt, das überall auf
Hindernisse stößt, macht die große Industrie durch ihre Katastrophen
selbst es zu Frage von Leben oder Tod, den Wechsel der Arbeiten und daher
möglichste Vielseitigkeit der Arbeiter als allgemeines gesellschaftliches
Produktionsgesetz anzuerkennen und seiner normalen Verwirklichung die
Verhältnisse anzupassen. Sie macht es zu einer Frage von Leben oder Tod,
die Ungeheuerlichkeit einer elenden, für das wechselnde
Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals in Reserve gehaltenen, überall
einsatzbereiten Arbeiterbevölkerung zu ersetzen durch die absolute
Einsatzfähigkeit des Menschen für wechselnde Arbeitserfordernisse,
das Teilindividuum zu ersetzen ... durch das total entwickelte
Individuum, für welches verschiedne gesellschaftliche Funktionen einander
ablösende Betätigungsweisen sind.“ K. Marx, Kapital I.: 509 -
511. „Das ‚Schuster bleib bei
deinem Leisten, der Gipfelpunkt handwerksmäßiger Weisheit, wurde zur
furchtbaren Narrheit von dem Moment, wo der Uhrmacher Watt die
Dampfmaschine, der Barbier Arkwright den Kettenstuhl, der Juwelierarbeiter
Fulton das Dampfschiff erfunden hatte.“ K. Marx, Kapital I.:
513. „Es unterliegt ebenso
wenig einem Zweifel, dass die kapitalistische Form der Produktion und die
ihr entsprechenden ökonomischen Arbeiterverhältnisse in diametralsten
Widerspruch stehen mit solchen Umwälzungsfermenten und ihrem Ziel, der
Aufhebung der alten Teilung der Arbeit. Die Entwicklung der Widersprüche
einer geschichtlichen Produktionsform ist jedoch der einzig geschichtliche
Weg ihrer Auflösung und Neugestaltung.“ K. Marx, Kapital I.:
512. „Soweit die Fabrikgesetzgebung die
Arbeit in Fabriken, Manufakturen usw. reguliert, erscheint dies zunächst
nur als Einmischung in die Ausbeutungsrechte des
Kapitals. Jede Regulation der
sogenannten Heimarbeit stellt sich dagegen sofort als direkter
Eingriff in die ... elterliche Autorität dar, ein Schritt, wovor das
zartfühlende englische Parlament lange
zurückbebte. Die Gewalt der Tatsachen
zwang jedoch, endlich anzuerkennen, dass die große Industrie mit der
ökonomischen Grundlage des alten Familienwesens und der ihr entsprechenden
Familienarbeit auch die alten Familienverhältnisse selbst auflöst. Das
Recht der Kinder musste proklamiert werden.“ K. Marx, Kapital I.:
513. „So furchtbar und
ekelhaft nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des
kapitalistischen Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die
große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen
Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich
organisierten Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens
zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie
und des Verhältnisses beider Geschlechter." K. Marx, Kapital I.:
514. (Weitere Paragrafen
und Änderungen der englischen Arbeiterschutzgesetze: Kinderarbeit,
Arbeitsstättenverordnung, Bergwerksarbeit) "Wenn die
Verallgemeinerung der Fabrikgesetzgebung als physisches und geistiges
Schutzmittel der Arbeiterklasse unvermeidlich geworden ist,
verallgemeinert und beschleunigt sie andrerseits ... die Verwandlung
zerstreuter Arbeitsprozesse auf Zwergmaßstab in kombinierte
Arbeitsprozesse auf großer, gesellschaftlicher Stufenleiter, also die
Konzentration des Kapitals und die Alleinherrschaft des Fabrikregimes. Sie
zerstört alle altertümlichen und Übergangsformen, wohinter sich die
Herrschaft des Kapitals noch teilweise versteckt, und ersetzt sie durch
seine direkte, unverhüllte Herrschaft. Sie verallgemeinert damit auch den
direkten Kampf gegen diese Herrschaft. Während sie in den individuellen
Werkstätten Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und Ökonomie
erzwingt, vermehrt sie durch den ungeheuren Sporn, den Schranke und Regel
des Arbeitstags der Technik aufdrücken, die Anarchie und Katastrophen der
kapitalistischen Produktion im großen und ganzen, die Intensität der
Arbeit und die Konkurrenz der Maschinerie mit dem Arbeiter. Mit den
Zufluchtsstätten des Kleinbetriebs und der Heimarbeit vernichtet
sie die letzten Zufluchtsstätten der ‚Überzähligen‘ und damit das
bisherige Sicherheitsventil des ganzen Gesellschaftsmechanismus. Mit den
materiellen Bedingungen und der gesellschaftlichen Kombination des
Produktionsprozesses reift sie die Widersprüche und Antagonismen seiner
kapitalistischen Form, daher gleichzeitig die Bildungselemente einer neuen
und die Umwälzungselemente der alten Gesellschaft.“ K. Marx, Kapital I.:
525-526. Zur Methode dieser
Online-Lektüre: Diese
Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung
von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx'
Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen
Worten. Jedem
neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs
vorangestellt. Wo es dem
Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch
Zahlenbeispiele modernisiert. Diese und andere
Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver
Schrift. Auslassungen
im laufenden Text sind durch drei Punkte ... kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von
Marx sind normal fett
gedruckt. Jedes
Zitat enthält die Seitenangabe der
Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25. Wal Buchenberg |