Kapital 1.: 483-504

7. Abstoßen und Anziehen von Arbeitern mit Entwicklung des Maschinenbetriebs.
Heute haben wird die Situation, dass produktivere neue Technologie (kapitalistisch angewandt) immer mehr Lohnarbeiter verdrängt, die Arbeiterzahlen absolut abnehmen und damit Massenarbeitslosigkeit produziert wird.
Marx stand vor einer anderen Situation: Zu seiner Zeit wurden zwar auch die Produktionsverfahren revolutioniert, was Arbeitskraft freisetzte. Dennoch stieg zu Marx’ Zeiten die absolute Zahl der Lohnarbeiter.
Marx unterschied daher zwischen relativer und absoluter Freisetzung von Arbeitskraft.
Angenommen ein Betrieb mit 100 Arbeitern produziert 100 Stück vor Einführung einer neuen Technologie. Nach Einführung einer neuen Technologie produzieren 80 Arbeiter 120 Stück. Pro Arbeiter ist die Produktivität um 50 % gestiegen.
Absolut hat die Zahl der Arbeiter nur um 20 abgenommen.
Relativ hat die Zahl der Arbeiter aber um 40 abgenommen, da mit der alten Technologie 120 Arbeiter nötig gewesen wären, um 120 Stück zu produzieren. Die Zahl „120 Arbeiter“ ist rein hypothetisch oder „virtuell“.
Wenn die absolute Zahl der Lohnarbeiter trotz Einführung neuer Technologien wie im 19. Jahrhundert steigt, dann nur dann, wenn das Kapital insgesamt und in anderen Branchen viel  rascher wächst, als es in einzelnen Branchen Arbeiter freisetzt.
Diese relative und/oder absolute Verdrängung der Arbeiter durch neue Technologie geschieht zyklisch entlang der Wirtschaftszyklen. Während des Booms werden vielleicht nur Arbeiter relativ durch Investitionen in neue Technologien verdrängt (- das ist das sozialdemokratische Rezept zur „Schaffung neuer Arbeitsplätze“! -) im Abschwung und in der Krise, wenn der Markt die zusätzliche Kapazitäten nicht mehr aufnehmen kann, zeigt sich, dass die ganze Zeit über Arbeitskraft überflüssig gemacht worden ist. Nun werden erst wirklich Arbeiter entlassen - absolute Freisetzung von Arbeitskraft.

8. Revolutionierung von Manufaktur, Handwerk und Hausarbeit durch die große Industrie

a) Aufhebung der auf Handwerk und Teilung der Arbeit beruhenden Kooperation

„Man hat gesehen, wie die Maschinerie die auf Handwerk beruhende Kooperation und die auf Teilung der handwerksmäßigen Arbeit beruhende Manufaktur aufhebt. Ein Beispiel der ersten Art ist die Mähmaschine, sie ersetzt die Kooperation von Mähern. Ein schlagendes Beispiel der zweiten Art ist die Maschine zur Fabrikation von Nähnadeln. Nach Adam Smith verfertigten zu seiner Zeit 10 Männer durch Teilung der Arbeit täglich über 48000 Nähnadeln. Eine einzige Maschine liefert dagegen 145000 in einem Arbeitstag von 11 Stunden. Eine Frau oder ein Mädchen überwacht im Durchschnitt 4 solche Maschinen und produziert daher mit der Maschinerie täglich an 600000 ... Nähnadeln.“ K. Marx, Kapital I.: 483.

„Sofern eine einzelne Arbeitsmaschine an die Stelle der Kooperation oder der Manufaktur tritt, kann sie selbst wieder zur Grundlage handwerksmäßigen Betriebs werden. .... Sporadisch und ebenfalls nur vorübergehend kann kleiner Betrieb sich verbinden mit mechanischer Triebkraft durch Miete des Dampfs, wie in einigen Manufakturen Birminghams, durch Gebrauch kleiner Wärmekraft-Maschinen, wie in gewissen Zweigen der Weberei usw...“ K. Marx, Kapital I.: 484.

Anm. 247: „In den Vereinigten Staaten ist derartiges Wiedererstehen des Handwerks auf Grundlage der Maschinerie häufig. Die Konzentration, bei dem unvermeidlichen Übergang in den Fabrikbetrieb, wird eben deswegen, im Vergleich zu Europa und selbst zu England dort mit Siebenmeilenstiefeln marschieren.“ K. Marx, Kapital I.: 484 und Anm. 247.

(Mit Erfindung der Elektrizität und des Elektromotors wurde diese Entwicklung einer Wiedererstehung kleiner handwerklicher Betriebe auf maschineller Grundlage um die letzte Jahrhundertwende wiederholt. Im letzten Jahrzehnt erlebten wir eine ähnliche Wiederbelebung für Einzelwirtschaft und Kleinbetriebe auf der Basis der Computertechnologie. wb)

„Wo die Natur des Prozesses nicht von vornherein Produktion auf großer Stufenleiter erforderte, durchliefen in der Regel die in den letzten Jahrzehnten neu aufkommenden Industrien, wie z. B. Briefkuvert-, Stahlfedermacher usw., erst den Handwerksbetrieb und dann den Manufakturbetrieb als kurzlebige Übergangsphasen zum Fabrikbetrieb... “ K. Marx, Kapital I.: 484.

b) Rückwirkung des Fabrikwesens auf Manufaktur und Hausarbeit

„Mit der Entwicklung des Fabrikwesens und der sie begleitenden Umwälzung der Agrikultur dehnt sich nicht nur die Produktionsleiter in allen anderen Industriezweigen aus, sondern verändert sich auch ihr Charakter.“ K. Marx, Kapital I.: 485.

„Das Prinzip des Maschinenbetriebs, den Produktionsprozess in seine wesentlichen Phasen zu aufzuspalten und die so gegebnen Probleme durch Anwendung der Mechanik, Chemie usw. kurz der Naturwissenschaften zu lösen, wird überall bestimmend. ...  Abgesehen hiervon wird die Zusammensetzung des Gesamtarbeiters oder des kombinierten Arbeitspersonals von Grund aus umgewälzt. Im Gegensatz zur Manufakturperiode gründet sich der Plan der Arbeitsteilung jetzt auf Anwendung der Weiberarbeit, der Arbeit von Kindern aller Altersstufen, ungeschickter Arbeiter, wo es immer möglich, kurz der ...  wohlfeilen Arbeit...“ K. Marx, Kapital I.: 585.

c) Die moderne Manufaktur

„Die Exploitation (Ausbeutung) billiger und unreifer Arbeitskräfte wird in der modernen Manufaktur schamloser als in der eigentlichen Fabrik, weil die hier existierende technische Grundlage, Ersatz der Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort großenteils wegfällt... “ K. Marx, Kapital I.: 486.

(zeitgenössische Beispiele aus Branchen mit maschinellem Kleinbetrieb mit Vergleich der Sterblichkeit, Gesundheitsstatistiken etc.)

d) Die moderne Hausarbeit

„Die Exploitation (Ausbeutung) billiger und unreifer Arbeitskräfte ... wird in der sog. Hausarbeit schamloser als in der Manufaktur, weil die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt, eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen Arbeitgeber und den Arbeiter drängt, ... die Armut dem Arbeiter die nötigsten Arbeitsbedingungen, Raum, Licht, Ventilation usw. raubt, die Unregelmäßigkeit der Beschäftigung wächst und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch die große Industrie und Agrikultur ‚überzählig‘ Gemachten die Arbeiterkonkurrenz notwendig ihr Maximum erreicht.“ K. Marx, Kapital I.: 486.

„Diese sogenannte moderne Hausindustrie hat mit der altmodischen, die unabhängiges städtisches Handwerk, selbständige Bauernwirtschaft und vor allem ein Haus der Arbeiterfamilie voraussetzt, nichts gemein als den Namen. Sie ist jetzt verwandelt in die auswärtige Filiale der Fabrik, der Manufaktur oder des Warenmagazins.“ K. Marx, Kapital I.: 485.

(Es folgen zeitgenössische Beispiele mit Krankheitsstatistik -Schwindsucht.

Heute kann Hausarbeit auf modernster technischer Grundlage, mit Computer und online, wieder ausgedehnt werden, teils als selbständige handwerklich strukturierte Arbeit, teils als nur ausgelagerte Abteilung eines größeren Betriebes.)

e) Übergang der modernen Manufaktur und Hausarbeit zur großen Industrie. Beschleunigung dieser Revolution durch Anwendung der Fabrikgesetze auf jene Betriebsweisen.

„Die Verbilligung der Arbeitskraft durch bloßen Missbrauch weiblicher und unreifer Arbeitskräfte, bloßen Raub aller normalen Arbeits- und Lebensbedingungen und bloße Brutalität aller normalen Arbeits- und Lebensbedingungen und bloße Brutalität der Über- und Nachtarbeit, stößt zuletzt auf gewisse nicht weiter überschreitbare Naturschranken, und mit ihr auch die auf diesen Grundlagen beruhende Verbilligung der Waren und kapitalistische Ausbeutung überhaupt. Sobald dieser Punkt endlich erreicht ist, und es dauert lange, schlägt die Stunde für Einführung der Maschinerie und die nun rasche Verwandlung der zersplitterten Hausarbeit (oder auch Manufaktur) in Fabrikbetrieb.“ K. Marx, Kapital I.: 494.

„Schrankenlose Ausbeutung wohlfeiler Arbeitskräfte bildet die einzige Grundlage ihrer Konkurrenzfähigkeit.“ K. Marx, Kapital I.: 499.

„Die große Produktion von Mehrwert in diesen Arbeitszweigen, zugleich mit der progressiven Verbilligung ihrer Artikel, war und ist hauptsächlich geschuldet dem Minimum des zu kümmerlicher Vegetation nötigen Arbeitslohns, verbunden mit dem Maximum menschenmöglicher Arbeitszeit. ...

Endlich trat ein Knotenpunkt ein. Die Grundlage der alten Methode, bloß brutale Ausbeutung des Arbeitermaterials, mehr oder minder begleitet von systematisch entwickelter Arbeitsteilung, genügte dem wachsenden Markt und der noch rascher wachsenden Konkurrenz der Kapitalisten nicht länger. Die Stunde der Maschinerie schlug.

Die entscheidend revolutionäre Maschine, welche die sämtlichen zahllosen Zweige dieser Produktionssphäre wie Putzmacherei, Schneiderei, Schusterei, Näherei usw. gleichmäßig ergreift, ist - die Nähmaschine.“ K. Marx, Kapital I.: 495.

„Ihre unmittelbare Wirkung auf die Arbeiter ist ungefähr die aller Maschinerie, welche in der Periode der großen Industrie neue Geschäftszweige erobert. Kinder im unreifsten Alter werden entfernt. Der Lohn der Maschinenarbeiter steigt verhältnismäßig zu dem der Hausarbeiter. ... Der Lohn der besser gestellten Handwerker, mit denen die Maschine konkurriert, sinkt. Die neuen Maschinenarbeiter sind ausschließlich Mädchen und junge Frauen. Mit Hilfe der mechanischen Kraft vernichten sie das Monopol der männlichen Arbeit in schwererem Werk und verjagen aus leichterem Werk Massen alter Weiber und unreifer Kinder. Die übermächtige Konkurrenz erschlägt die schwächsten Handarbeiter.“ K. Marx, Kapital I.: 496.

„Diese naturwüchsig vorgehende industrielle Revolution wird künstlich beschleunigt durch die Ausdehnung der Fabrikgesetze auf alle Industriezweige...“ K. Marx, Kapital I.: 498.

„Man sieht, das englische Parlament, dem sicher niemand Genialität vorwerfen kann, ist durch Erfahrung zur Einsicht gelangt, dass ein Zwangsgesetz alle sog. Naturhindernisse der Produktion gegen Beschränkung und Regelung des Arbeitstags einfach wegdiktieren kann.“ K. Marx, Kapital I.: 501.

 

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg