Kapital I.: 226-244

Warenwert entsteht durch die Arbeit des Arbeiters und er entsteht während der ganzen Zeitdauer seiner Arbeit. Aber auch der Wert der verbrauchten Produktionsmittel (Rohmaterial und Arbeitsmittel) ist in dem neuen Produkt enthalten. Wie ist das möglich?

Indem die Produktionsmittel durch die spezifisch ausgebildete (=konkrete) Arbeit verbraucht werden, verschwinden sie als Produktionsmittel und verwandeln sich in neues Produkt: Baumwolle und Spindel des Spinners verwandeln sich in Garn. Stahl, Ofen und Amboss des Schmiedes verwandeln sich in  Schmiedestücke.

Das Rohmaterial und die Hilfsstoffe verschwinden in diesem Prozess auf einmal und völlig, die Arbeitsmittel (Werkzeuge, Maschinen, Ofen, Gebäude usw.) verlieren nur allmählich ihren Gebrauchswert und übertragen daher im Gegensatz zum Rohmaterial ihren Wert nur stückweise und allmählich auf das neue Produkt.

Die Schaffung von neuem Wert geschieht durch die abstrakte Arbeit (- dass überhaupt gesellschaftliche notwendige Arbeit angewendet wird).

Die Wertübertragung der Produktionsmittel geschieht durch die konkret nützliche Arbeit (- Arbeit in einer bestimmten produktiven Form).

Der Arbeitsprozess ist die Einheit beider Elemente. Daher geschieht im Arbeitsprozess die Schaffung von neuem Wert gleichzeitig mit der Übertragung von altem Wert, dem Wert der Produktionsmittel.

Der Teil des Kapitals, der in Gestalt von Produktionsmittel (Rohmaterial, Hilfsstoffe und Arbeitsmittel) die objektiven Faktoren des Produktionsprozesses bildet, verändert seinen Wert nicht im kapitalistischen Arbeitsprozess. Sein Wert wird auf das neue Produkt übertragen. Marx nannte diesen Kapitalteil daher konstantes Kapital.

(Falls Rohmaterial und Arbeitsmittel eine Wertänderung erfahren, dann nur im Bereich ihrer Produktion. In diesem Stadium ihrer eigenen Produktion und ihrem Verkauf sind es aber noch keine Produktionsmittel, sondern nur Waren. Produktionsmittel werden sie erst nach ihrem Verkauf durch den Gebrauch.)

Der Teil, des Kapitals, der in subjektive Produktionsfaktoren oder in Arbeitskraft angelegt ist, reproduziert im Arbeitsprozess nicht nur seinen eigenen Wert, sondern schafft darüber hinaus einen Wertzusatz, den Mehrwert. Diesen Kapitalteil nannte Marx daher variables Kapital.

 

Siebtes Kapitel

Die Rate des Mehrwerts

1. Der Exploitationsgrad (Ausmaß der Ausbeutung) der Arbeitskraft

„Der Mehrwert, den das vorgeschossne Kapital C im Produktionsprozess erzeugt hat, ... stellt sich zunächst dar als Überschuss des Werts des Produkts über die Wertsumme seiner Produktionselemente.

Das Kapital C zerfällt in zwei Teile, eine Geldsumme c, die für Produktionsmittel, und eine andre Geldsumme v, die für Arbeitskraft verausgabt wird; c stellt den in konstantes, v den in variables Kapital verwandelten Wertteil vor.

Ursprünglich ist also C = c + v, z.B. das vorgeschossene Kapital von 500 Euro = 410 Euro c + 90 Euro v. Am Ende des Produktionsprozesses kommt Ware heraus, deren Wert = c + v + m, wo m der Mehrwert, z.B. 410 Euro c + 90 Euro v + 90 Euro m.

Das ursprüngliche Kapital C hat sich in C‘ verwandelt, aus 500 Euro in 590 Euro. Die Differenz zwischen beiden ist = m, einem Mehrwert von 90.“ K. Marx, Kapital I.: 226.

„Indes erfordert dies ... eine nähere Bestimmung. K. Marx, Kapital I.: 226

„Man weiß, dass der Wert des konstanten Kapitals im Produkt nur wieder erscheint. Das im Prozess wirklich neu erzeugte Wertprodukt ist also verschieden von dem aus dem Produkt erhaltenen Produktenwert (von 590 Euro). Das neu erzeugte Wertprodukt ist daher nicht ... c + v + m oder 410 Euro c + 90 Euro v + 90 Euro m, sondern v + m oder 90 Euro v + 90 Euro m, nicht 590 Euro, sondern 180 Euro.“ K. Marx, Kapital I.: 227.

„Wir wissen in der Tat bereits, dass der Mehrwert bloß Folge der Wertveränderung ist, die mit v, dem in Arbeitskraft umgesetzten Kapitalteil vorgeht, dass also v + m = v + Dv (v plus Zusatz von v) ist.

Aber die wirkliche Wertveränderung und das Verhältnis, worin sich der Wert ändert, werden dadurch verdunkelt, dass infolge des Wachstums seines variierenden Bestandteils auch das vorgeschossne Gesamtkapital wächst. Es war 500, und es wird 590.

Die reine Analyse des Prozesses macht es also nötig von dem Teil des Produktenwerts, worin nur konstanter Kapitalwert wieder erscheint, ganz zu abstrahieren, also das konstante Kapital c = 0 zu setzen...“ K. Marx, Kapital I.: 228.

 Profitrate und Mehrwertrate: „Allerdings hat das Verhältnis des Mehrwerts nicht nur zum Kapitalteil, woraus er unmittelbar entspringt und dessen Wertveränderung er darstellt (= Mehrwertrate), sondern auch zum vorgeschossnen Gesamtkapital (= Profitrate) seine große ökonomische Bedeutung. Wir behandeln dies Verhältnis daher ausführlich im dritten Buch.“ K. Marx, Kapital I.: 229. „Anm. 28: „Man wird aus Buch III sehen, dass die Profitrate leicht zu begreifen ist, sobald man die Gesetze des Mehrwerts kennt. Auf dem umgekehrten Weg begreift man weder das eine noch das andere.“ K. Marx, Kapital I.: 230.

„Wir setzen also zunächst den konstanten Kapitalteil gleich Null. Das vorgeschossne Kapital reduziert sich daher von c+v auf v, und der Produktenwert c + v + m auf das Wertprodukt v+m.

Gegeben das Wertprodukt = 180 Euro, worin sich die während der ganzen Dauer des Produktionsprozesses fließende Arbeit darstellt, so haben wir den Wert des variablen Kapitals = 90 Euro abzuziehen, um den Mehrwert = 90 Euro zu erhalten.“ K. Marx, Kapital I.: 229.

„Die Zahl 90 Euro = m drückt hier die absolute Größe des produzierten Mehrwerts aus. Seine proportionelle Größe aber, also das Verhältnis, worin das variable Kapital sich verwertet hat, ist offenbar bestimmt durch das Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital oder ausgedrückt in m / v. Im obigen Beispiel also in 90 / 90 = 1 / 1 oder = 100 %.

Diese verhältnismäßige Verwertung des variablen Kapitals oder die verhältnismäßige Größe des Mehrwerts nenne ich Rate des Mehrwerts.“ K. Marx, Kapital I.: 230.

notwendige Arbeitszeit:

„Wir haben gesehen, dass der Arbeiter während eines Abschnitts des Arbeitsprozesses nur den Wert seiner Arbeitskraft produziert, d. h. den Wert seiner notwendigen Lebensmittel. Da er in einem auf gesellschaftlicher Teilung der Arbeit beruhenden Zustand produziert, produziert er seine Lebensmittel nicht direkt, sondern in Form einer besonderen Ware, des Garns z. B., einen Wert gleich dem Wert seiner Lebensmittel oder dem Geld, womit er sie kauft.

Der Teil seines Arbeitstags, den er hierzu verbraucht, ist größer oder kleiner, je nach dem Wert seiner durchschnittlichen täglichen Lebensmittel, also je nach dem der zu ihrer Produktion nötigen durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit.“ K. Marx, Kapital I.: 230.

 

„Den Teil des Arbeitstages also, worin diese Reproduktion vorgeht, nenne ich notwendige Arbeitszeit, die während derselben verausgabte Arbeit notwendige Arbeit. Notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig von der gesellschaftlichen Form seiner Arbeit. Notwendig für das Kapital und seine Welt, weil das beständige Dasein des Arbeiters ihre Basis ist.“ K. Marx, Kapital I.: 230-231.

Mehrarbeitszeit:

„Die zweite Periode des Arbeitsprozesses, die der Arbeiter über die Grenzen der notwendigen Arbeit hinaus schanzt, kostet ihm zwar Arbeit, Verausgabung von Arbeitskraft, bildet aber keinen Wert für ihn.

Sie bildet Mehrwert, der den Kapitalisten mit allem Reiz einer Schöpfung aus dem Nichts anlacht. Diesen Teil des Arbeitstags nenne ich Surplusarbeitszeit (Mehrarbeitszeit) und die in ihr verausgabte Arbeit: Mehrarbeit ...“ K. Marx, Kapital I.: 230-231.

So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen.

Nur die Form worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter abgepresst wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z.B. die Gesellschaft der Sklaverei von der Lohnarbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 231.

„Der Mehrwert verhält sich zum variablen Kapital, wie die Mehrarbeit zur notwendigen, oder die Rate des Mehrwerts  m / v = Mehrarbeit / Notwendiger Arbeit. Beide Proportionen drücken dasselbe Verhältnis in verschiedner Form aus, das eine Mal in der Form vergegenständlichter, das andere Mal in der Form flüssiger Arbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 231-232.

 „Die Rate des Mehrwerts ist daher der exakte Ausdruck für den Exploitationsgrad (Ausbeutungsgrad) der Arbeitskraft durch das Kapital oder des Arbeiters durch den Kapitalisten.

Nach unserer Annahme war die Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate ... 100%. Also arbeitete der Arbeiter die eine Hälfte des Tags für sich und die andre für den Kapitalisten.“ K. Marx, Kapital I.: 232.

„Die Methode zur Berechnung der Rate des Mehrwerts ist also kurzgefasst diese:

Wir nehmen den ganzen Produktenwert und setzen den darin nur wiedererscheinenden konstanten Kapitalwert gleich Null. Die übrigbleibende Wertsumme ist das einzige im Bildungsprozess der Ware wirklich erzeugte Wertprodukt.

Ist der Mehrwert gegeben, so ziehen wir ihn von diesem Wertprodukt ab, um das variable Kapital zu finden.

Umgekehrt, wenn letzteres gegeben und wir den Mehrwert suchen.

Sind beide gegeben, so ist nur noch die Schlussoperation zu verrichten, das Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital, m / v, zu berechnen. So einfach ist die Methode...“ K. Marx, Kapital I.: 232-233.

2. Darstellung des Produktenwerts in proportionellen Teilen des Produkts

Der kapitalistische Arbeitsprozess oder der Verwertungsprozess des Kapitals kann sowohl in Arbeitszeit (notwendige Arbeit plus Mehrarbeit) dargestellt werden, aber auch in Geldmengen (konstantes plus variables Kapital plus Mehrwert) berechnet und dargestellt werden, außerdem aber auch als Mengenteile des fertigen Produkts.

Dabei werden Zeitverhältnisse oder Wertverhältnisse in Produktmengen dargestellt:

 „Jetzt hat sich gezeigt, wie die funktionell oder begrifflich verschiednen Bestandteile des Produktenwerts in proportionellen Teilen des Produkts selbst darstellbar sind. Diese Zerfällung des Produkts ... in ein Quantum Produkt, das nur die in Produktionsmitteln enthaltne Arbeit oder den konstanten Kapitalteil, ein andres Quantum, das nur die im Produktionsprozess zugesetzte notwendige Arbeit oder den variablen Kapitalteil und ein letztes Quantum Produkt, das nur die im selben Prozess zugesetzte Mehrarbeit oder den Mehrwert darstellt, ist ebenso einfach als wichtig, wie ihre spätere Anwendung auf verwickelte und noch ungelöste Probleme zeigen wird. “ K. Marx, Kapital I.: 236

Das Kapitel enthält Beispielrechnungen, wie Zeitverhältnisse (Stunden) in Kapitalverhältnisse (Geldsummen) oder Produktbestandteile (Mengen) umgerechnet werden können.

3. Seniors „letzte Stunde“.

(Der Ökonom Senior rechnete 1837 ebenfalls die Kapitalteile auf Produktmengen um, nahm aber diese Darstellung nicht als Verhältnis von nur  relative Größen, sondern als eine absolute Darstellung und zog daraus den Schluss, dass der Mehrwert für den Kapitalisten nur in der letzten Stunde geschaffen wird. Würde also die Arbeitszeit z. B. um eine Stunde verkürzt, dann würde eventuell der gesamte Mehrwert entfallen.

Sein Fehler bestand darin, dass er mit der um eine Stunde verkürzten Arbeitszeit einen einzigen Faktor änderte alle anderen Faktoren, wie Verbrauch der Rohstoffe usw. aber konstant hielt.

Diese ändern sich aber bei einer verkürzten Arbeitszeit ebenfalls. Er übersah und wollte übersehen, dass bei Änderung eines Faktors, die ganze Rechnung sich ändert und alle Relationen dann auf die verkürzte Arbeitszeit berechnet werden müssen.)

4. Das Mehrprodukt

„Den Teil des Produkts ... worin sich der Mehrwert darstellt, nennen wir Mehrprodukt. ...

Wie die Produktion von Mehrwert der bestimmende Zweck der kapitalistischen Produktion, so misst nicht die absolute Größe des Produkts ist, sondern die relative Größe des Mehrprodukts den Höhegrad des Reichtums.“ K. Marx, Kapital I.: 243.

 

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg