Kapital I.: 192-200

Wenn alle Waren zu ihrem vollen Wert gekauft und verkauft werden, dann kann neuer Wert und Mehrwert nur entstehen, wenn es eine Ware gibt, durch deren Verbrauch, also durch deren Gebrauchswert, Wert entsteht.
Diese Ware gibt es, es ist das Arbeitsvermögen (Arbeitskraft).
Damit das Arbeitsvermögen als Ware auf dem Markt käuflich wird, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
1. Der Besitzer der Arbeitskraft muss persönlich frei sein, also Herr über sein Arbeitsvermögen sein, - sonst kann er seine Arbeitskraft nicht verkaufen.
2. Der Besitzer der Arbeitskraft muss frei von den sachlichen Bedingungen sein, die es ihm ermöglichen würden, mit seiner Arbeitskraft selber Produkte herzustellen, die er dann statt seiner Arbeitskraft verkaufen könnte, - sonst will er seine Arbeitskraft nicht verkaufen.
Was ist der Wert des Arbeitsvermögens/ der Arbeitskraft?
Die Ausbildungskosten des spezifischen Arbeitsvermögens plus die zu dem historischen Zeitpunkt landesüblichen Unterhaltskosten des Arbeitskraftbesitzers plus die Ersatzkosten für den verbrauchten Arbeitskraftbesitzer, also die Aufzuchtkosten seiner Kinder. (Soweit der Arbeitskraftbesitzer die Kosten von Berufsausbildung und Kinderaufzucht üblicherweise selber tragen muss).
Der Wert dieser Waren- und Dienstleistungsmenge entspricht dem Wert der Arbeitskraft. Dieser Wert steigt und sinkt jedoch mit der Produktivität der zur Herstellung bzw. Gewährleistung dieser Warenmenge durchschnittlich nötigen Arbeitszeit.
Der volle Wert der Arbeitskraft wird bezahlt, wenn der Besitzer den Geldbetrag erhält, mit dem er die eben aufgezählte Waren- und Dienstleistungsmenge bezahlen kann.
Indem der Arbeitskraftbesitzer sein Arbeitsvermögen verkauft, überlässt er dem Geldbesitzer die Nutzung bzw. den Verbrauch dieser Arbeitskraft. Dieser Verbrauch findet in der Produktion, also im Arbeitsprozess statt.

Dritter Abschnitt

Die Produktion des absoluten Mehrwerts

5. Kapitel

Arbeitsprozess und Verwertungsprozess

1. Arbeitsprozess</b>

„Der Arbeitsprozess ist ... zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form zu betrachten.
Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem der durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur.“ K. Marx, Kapital I.: 192.

„Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formänderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss.“ K. Marx, Kapital I.: 193.

„Die einfachen Momente des Arbeitsprozesses sind die zweckmäßige Tätigkeit oder die Arbeit selbst, ihr Gegenstand und ihr Mittel.“ K. Marx, Kapital I.: 193.

„Betrachtet man den ganzen Prozess vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit.“
(Anm. 7: „Diese Bestimmung produktiver Arbeit, wie sie sich vom Standpunkt des einfachen Arbeitsprozesses ergibt, reicht keineswegs hin für den kapitalistischen Produktionsprozess.“ Vergleiche die Bestimmung produktiver Arbeit im Kapitalismus auf den Seiten 531 folgende.) K. Marx, Kapital I.: 196.

„Im Arbeitsprozess bewirkt ... die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozess erlischt im Produkt. ... Die Arbeit hat sich mit ihrem Gegenstand verbunden. Sie ist vergegenständlicht, und der Gegenstand ist verarbeitet. Was auf Seiten des Arbeiters in der Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigenschaft, in der Form des Seins, auf Seiten des Produkts.“ K. Marx, Kapital I.: 195.

„Wenn ein Gebrauchswert als Produkt aus dem Arbeitsprozess herauskommt, gehen andere Gebrauchswerte, Produkte früherer Arbeitsprozesse, als Produktionsmittel in ihn ein. Derselbe Gebrauchswert, der das Produkt dieser, bildet das Produktionsmittel jener Arbeit. Produkte sind daher nicht nur Resultat, sondern zugleich Bedingung des Arbeitsprozesses.“ K. Marx, Kapital I.: 196.

„Durch ihren Eintritt als Produktionsmittel in neue Arbeitsprozesse verlieren Produkte daher den Charakter des Produkts. Sie funktionieren nur noch als gegenständliche Faktoren der lebendigen Arbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 197.

Produktionsmittel:

a) Rohmaterial:

„Ist der Arbeitsgegenstand ... selbst schon sozusagen durch frühere Arbeit filtriert, so nennen wir ihn Rohmaterial. ... Rohmaterial ist der Arbeitsgegenstand nur, sobald er bereits eine durch Arbeit vermittelte Veränderung erfahren hat.“ K. Marx, Kapital I.: 193.

„Mit Ausnahme der extraktiven Industrie, die ihren Arbeitsgegenstand von Natur vorfindet, wie Bergbau, Jagd, Fischfang usw. ... behandeln alle Industrie einen Gegenstand, der Rohmaterial, d.h. bereits durch die Arbeit filtrierter Arbeitsgegenstand, selbst schon Arbeitsprodukt ist. So z.B. der Samen in der Agrikultur. Tiere und Pflanzen, die man als Naturprodukte zu betrachten pflegt, sind nicht nur Produkte vielleicht der Arbeit vom vorigen Jahr, sondern, in ihren jetzigen Formen, Produkte einer durch viele Generationen unter menschlicher Kontrolle, vermittelst menschlicher Arbeit, fortgesetzten Umwandlung.“ K. Marx, Kapital I.: 196.

„Das Rohmaterial kann die Hauptsubstanz eines Produkts bilden oder nur als Hilfsstoff in seine Bildung eingehen. Der Hilfsstoff wird vom Arbeitsmittel konsumiert, wie Kohle von der Dampfmaschine, Öl vom Rade, Heu vom Zugpferd, oder dem Rohmaterial zugesetzt, um darin eine stoffliche Veränderung zu bewirken, wie Chlor zur ungebleichten Leinwand, Kohle zum Eisen, Farbe zur Wolle, oder er unterstützt die Verrichtung der Arbeit selbst, wie z. B. zur Beleuchtung und Heizung des Arbeitslokals verwandte Stoffe. Der Unterschied zwischen Hauptstoff und Hilfsstoff verschwimmt in der eigentlichen chemischen Fabrikation, weil keines der angewandten Rohmaterialien als die Substanz des Produkts wieder erscheint.“ K. Marx, Kapital I.: 196.

„Ob ein Gebrauchswert als Rohmaterial, Arbeitsmittel oder Produkt erscheint, hängt ganz und gar ab von seiner bestimmten Funktion im Arbeitsprozess, von der Stelle, die er in ihm einnimmt, und mit dem Wechsel dieser Stelle wechseln jene Bestimmungen.“  K. Marx, Kapital I.: 197.

b) Arbeitsmittel:

„Das Arbeitsmittel ist ein Ding oder ein Komplex von Dingen, die der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt und die ihm als Leiter seiner Tätigkeit auf diesen Gegenstand dienen. Er benutzt die mechanischen, physikalischen, chemischen Eigenschaften der Dinge, um sie als Machtmittel auf andre Dinge, seinem Zweck gemäß, wirken zu lassen.“ (Anm. 2: ‚Die Vernunft ist ebenso listig als mächtig. Die List besteht überhaupt in der vermittelnden Tätigkeit, welche, indem sie die Objekte ihrer eigenen Natur gemäß aufeinander einwirken und sich aneinander abarbeiten lässt, ohne sich unmittelbar in diesen Prozess einzumischen, gleichwohl nur ihren Zweck zur Ausführung bringt.‘ Hegel, zit. n.  K. Marx, Kapital I.: 194.)

„Sobald überhaupt der Arbeitsprozess nur einigermaßen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel.“ K. Marx, Kapital I.: 194.

„Machen Produktionsmittel im Arbeitsprozess ihren Charakter als Produkte vergangener Arbeit geltend, so durch ihre Mängel. Ein Messer, das nicht schneidet, Garn, das beständig zerreißt usw., erinnern lebhaft an Messerschmied A und Garnwichser E. Im gelungenen Produkt ist die Vermittlung seiner Gebrauchseigenschaften durch vergangene Arbeit ausgelöscht.“ K. Marx, Kapital I.: 197.

„Die Arbeitsmittel sind nicht nur Gradmesser der Entwicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch Anzeiger der gesellschaftlichen Verhältnisse, worin gearbeitet wird. Unter den Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel ... viel entscheidendere Charaktermerkmale einer gesellschaftlichen Produktionsweise als solche Arbeitsmittel, die nur zu Behältern des Arbeitsgegenstandes dienen. ... Erst in der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvollere Rolle. ...
(Anm. 5: Von allen Waren sind eigentliche Luxuswaren die unbedeutendsten für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.)“ K. Marx, Kapital I.: 195.

„Der Arbeitsprozess, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam.“ K. Marx, Kapital I.: 198.

Produktion ist Konsumtion

„Die Arbeit verbraucht ihre stofflichen Elemente, ihren Gegenstand und ihr Mittel, verspeist dieselben und ist also Konsumtionsprozess.

Diese produktive Konsumtion unterscheidet sich dadurch von der individuellen Konsumtion, dass letztere die Produkte als Lebensmittel des lebendigen Individuums, erstere sie als Lebensmittel der Arbeit, seiner sich betätigenden Arbeitskraft, verzehrt.
Das Produkt der individuellen Konsumtion ist daher der Konsument selbst, das Resultat der produktiven Konsumtion ein vom Konsumenten unterschiedenes Produkt.“  K. Marx, Kapital I.: 198.

„Kehren wir zu unsrem künftigen Kapitalisten zurück. ...
Der Arbeitsprozess wie er als Konsumtionsprozess der Arbeitskraft durch den Kapitalisten vorgeht, zeigt nun zwei eigentümliche Phänomene.
Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten, dem seine Arbeit gehört. ...
Zweitens aber: Das Produkt ist Eigentum des Kapitalisten, nicht des unmittelbaren Produzenten, des Arbeiters. ...
Der Arbeitsprozess ist ein Prozess zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebenso sehr als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.“ K. Marx, Kapital I.: 199-200.

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg