Relative Armut

  Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker: Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGP und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000. (DM 26,90)

 Was ist relative Armut?

Dem Bericht liegt eine relative Armutsdefinition zugrunde, wie sie u. a. im Ratsbeschluss der Europäischen Union im Rahmen des 3. Armutsprogramms am 19. Dezember 1984 formuliert wurde:
„Als verarmt sind jene Einzelpersonen, Familien und Personengruppen anzusehen, die über so geringe (materielle; kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.“

Diese relative Armutsdefinition wird allgemein so operationalisiert, dass die mittlere Lebensweise eines Landes als Referenzpunkt zur Abbildung mittlerer Wohlfahrtsstandards angesehen wird. Diese Operationalisierung hebt damit auf die Bedeutung der Verteilung von Ressourcen und Gütern zur Teilhabe an der allgemeinen Lebensweise ab. Es geht dabei nicht darum, dass allen Bevölkerungsschichten derselbe Umfang an Wohlstand zur Verfügung steht, sondern vielmehr darum, dass mit fortschreitender Wohlfahrtentwicklung auch neue Standards und damit neue Notwendigkeiten und Zwänge entstehen, die wiederum gegebenenfalls ein erhöhtes Maß an Ressourcen beanspruchen ...

Die genannte relative Armutsdefinition legt zudem einen sehr breit angelegten Begriff der Lebensweise zugrunde, der nicht nur materielle, sondern auch kulturelle und soziale Mittel einschließt.
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Die Armutsmessung geht vom Äquivalenzeinkommen aus: Gemäß dem Vorgehen der Europäischen Union zählt als (einkommens-)arm, wer in einem Haushalt lebt, dessen Äquivalenzeinkommen nicht mehr als 50 % des arithmetischen Mittels in der Gesamtbevölkerung beträgt (Hagenaars/De Vos/Zaidi 1995). Ergänzend werden die 40 %-Schwelle zur Abgrenzung  „strenger Armut“ sowie die 75 %-Schwelle zur Kennzeichnung des „prekären Wohlstandes“ (Hübinger 1996) herangezogen.

Analoge Schwellenwerte zur Abgrenzung des Ausmaßes von relativer Wohlhabenheit werden bei 100 % (Mean), 150 % und 200 % festgesetzt (vgl. Krause/Wagner 1997).