Armut in der Bundesrepublik

Armut in der Bundesrepublik nimmt sei Mitte der 70er Jahre zu. Waren in den 60er und 70er Jahren noch die Alten am stärksten betroffen, so sind es nunmehr Kinder und junge Erwachsene. Ausländer weisen seit Beginn der 80er Jahre höhere Armutsquoten als Deutsche auf.“ LitDok. 1998/99 b-1023. Hübinger, Werner: Prekärer Wohlstand. Neue Befunde zu Armut und sozialer Ungleichheit. Freiburg 1996, 255 S.  LitDok. 1998/99 a-723.

Arm & Reich: „Es verfügten 1988 die obersten 10 % der Haushalte über fast die Hälfte des Nettogrund- und Nettogeldvermögens..., während die untere Hälfte der Haushalte weniger als 4 % dieser Vermögensarten besaß. Dabei werden die reichsten Haushalte bei dieser Umfrage noch nicht einmal erfasst.“ Lit.dok. 99/2000-1, a-440.

Armut 1984 bis 1989: "75 % aller Personen waren während des Untersuchungszeitraumes von sechs Jahren niemals arm; 15 % waren kurzfristig arm, ... 10 Prozent waren in dem genannten Zeitraum häufig oder dauerhaft arm..." 3.Ergänzg 93 1-514.

Armut 1984-89: „only in a very small section of the population lives in permanent poverty. Bigger is the risk of 9% faced by average wage earners of falling below the poverty line at least once in the course of five years.“ LitDok. 1993/94 a-1218.

Armut in den USA: 14 % der weißen Lohnabhängigen und 40 % der schwarzen Lohnabhängigen in den USA erreichen nicht die Armutsgrenze (= 50 % vom Durchschnittseinkommen). LitDok. 1993/94 1286.

Armut in der EG, regionale Verteilung: „The extent of poverty is much greater in the ‚peripheral‘ EC-countries than in the ‚central‘ ones.“LitDok. 1993/94 a-1292.

Armut & Überschuldung: „In den letzten Jahren ist Überschuldung zu einem ernsthaften Problem vieler Haushalte in Deutschland geworden.“ LitDok. 1998/99 a-1507.

Armut, Deutsche & Ausländer: „Am Jahresende 1990 erhielten 1,8 Millionen Bedürftige in 1,0 Millionen Haushalten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Darunter Deutsche: 1,3 Millionen. Die Zahl der ausländischen Sozialhilfeempfänger stieg um 16,8 % auf 48300 an (27 % der Sozialhilfeempfänger) und lag um fast das Siebenfache über dem Stand von 1980.“ LitDok. 1993/94 a-3029.  Relative (verdeckte Armut) vor allem bei: Alleinerziehenden Müttern, Arbeitslosen und Alten über 64 Jahren). LitDok. 1993/94 a-3033.

aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div. Jhrg.

Armut & Bildungsstand

Bevölkerung über 17 Jahre in Armut (= weniger als 50 % des Durchschnittseinkommens).

Die Vorderzahl nennt den Anteil der jeweiligen Gruppe an der Gesamtbevölkerung (Bev.) über 17 in Deutschland 1998, die hintere Zahl nennt den Anteil der Armen in diesem Bevölkerungsteil.

A: Schulbildung und Armut:

10,2 % Bev.: Schüler in Ausbildung = 12,2 % Arme

10,4 % Bev. ohne Schulabschluss = 15,6 % Arme

41,5 % Bev.: Hauptschulabschluss = 8,5 % Arme

23,7 % Bev.: Realschulabschluss = 6,5 % Arme

14,1 % Bev.: Abitur = 1,7 % Arme.

Der Armutsdurchschnitt für die Gesamtbevölkerung in Deutschland lag 1998 bei 9,1 %. Leute ohne Schulabschluss liegen also weit über diesem Durchschnitt, Leute mit Abitur deutlich darunter.

Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker, Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000, S. 81. (DM 26,90)

Anmerkung:
Der Statistik beweist, was jeder aus eigener Erfahrung kennt: Je höher der Bildungsgrad, desto geringer ist das Armutsrisiko. Wer keinen Schulabschluss bekommt, hat ein neunfach höheres Armutsrisiko als ein Abiturient. Daher der elterliche Druck auf ihre Kinder: Macht ja den Schulabschluss!

Die kapitalistische Wirtschaft braucht aber nur einen begrenzten Anteil von Lohnarbeitern mit Abitur, auch wenn dieser Anteil immer weiter steigt.

Da kann man sich anstrengen wie man will, es werden doch 85 % aller Schüler vor dem Abitur aussortiert.

Deshalb ist es richtig und notwendig, alle unteren Schulabschlüsse abzuschaffen und einen einzigen Schulabschluss für Alle einzuführen!

B: Armut & Berufsausbildung

10,3 % Bev.: in Ausbildung = 12,2 % Arme.

23,9 % Bev.: ohne Berufsabschluss = 13,2 % Arme.

41,0 % Bev.: mit Lehre = 7,3 % Arme.

17,3 % Bev.: sonstige Berufsausbildung = 3,4 % Arme.

7,5 % Bev.: mit (Fach)Hochschulabschluss = 1,9 % Arme.

Der Armutsdurchschnitt für die Gesamtbevölkerung in Deutschland lag 1998 bei 9,1%.

Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker, Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000, S. 81. (DM 26,90)

Anmerkung:
Auch hier zeigt die Statistik nichts anderes, als das, was jeder weiß: Je höher die Arbeitskraft qualifiziert ist, desto geringer ist das Armutsrisiko. Allerdings ist auch ein Universitätsdiplom keine Versicherung gegen Armut. Und die Rentendiskussion in Deutschland beweist eines: Selbst wer sein Lohnarbeiterleben lang Armut vermeiden konnte, dem droht vielleicht Armut im Rentenalter.

Was die Statistik nicht zeigen kann: Die Trennung in fest umrissene Berufsqualifikationen stammt noch aus der Handwerkerzeit. Die moderne Industrie macht längst vielseitige Kenntnisse und damit eine vielseitige Ausbildung nötig, die Theorie und Praxis umfasst.

Arm trotz Arbeit – working poor in Deutschland

Bevölkerung über 17 Jahre in Armut (= weniger als 50 % des Durchschnittseinkommens) und mit Niedrigeinkommen (= weniger als 75 % des Durchschnittseinkommens).

Die Vorderzahl nennt den Anteil der jeweiligen Gruppe an der Gesamtbevölkerung (Bev.) über 17 in Deutschland 1998. Für Jugendliche wird das Familieneinkommen auf die einzelnen Familienmitglieder umgelegt.

A: Erwerbstätigkeit und Armut:

36,8 % Bevölk: in Ausbildung = 7,6 % Arme und 32,1 % mit Niedrigeinkommen.

47,9 % Bevölk: erwerbstätig = 4,2 % Arme und 21,6 % mit Niedrigeinkommen.

8,1 %  Bevölk: arbeitslos = 14,6 % Arme und 46,6 % mit Niedrigeinkommen.

7,2 % Bevölk: nicht erwerbstätig = 26,8 % Arme und 66,7 % mit Niedrigeinkommen.

Der Armutsdurchschnitt für die Gesamtbevölkerung in Deutschland lag 1998 bei 9,1 %. Der Anteil der Bevölkerung mit Niedrigeinkommen lag bei 34,3 %.

Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker, Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000, S. 82. (DM 26,90)

Anmerkung:

Vielleicht sollten sich die Leute der Zeitschrift „Krisis“ um Robert Kurz, die „die Arbeit abschaffen“ wollen, einmal diese Statistik ansehen. Für 7,2 % unserer Bevölkerung ist die Arbeit abgeschafft. Diese Leute fristen ein kümmerliches Leben.

Zugegeben: Für die Kapitalisten ist die Arbeit auch längst abgeschafft, trotzdem können sie in Luxus leben. Von dieser Statistik werden sie aber unter „erwerbstätig“ geführt, obwohl sie gar nicht selber erwerben, sondern andere für sich erwerben lassen.

B: Berufliche Stellung und Armut:

15,8 %: an- /ungelernte Arbeiter = 11,5 % Arme und 43,8 % mit Niedrigeinkommen.

5,3 %:   Auszubildende = 15,6 % Arme und 53,5 % mit Niedrigeinkommen.

16,2 %: Facharbeiter = 6,3 % Arme und 30,9 % mit Niedrigeinkommen.

9,9 %:   kleine Angestellte = 4,9 % Arme und 23,5 % mit Niedrigeinkommen.

2,7 %:   kleine/mittlere Beamte = 1,1 % Arme und 6,7 % mit Niedrigeinkommen.

36 %:   qualifizierte Angestellte = 1,1 % Arme und 12,1 % mit Niedrigeinkommen.

5 %:    höhere Beamte = 0,1 % Arme und 3,0 % mit Niedrigeinkommen.

9,3 %:  Selbständige = 7,8 % Arme und 23,1 % mit Niedrigeinkommen.

Der Armutsdurchschnitt für die Gesamtbevölkerung in Deutschland lag 1998 bei 9,1 %. Der Anteil der Bevölkerung mit Niedrigeinkommen lag bei 34,3 %.

Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker, Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000, S. 81. (DM 26,90)

Anmerkung:

Daran zeigt sich, „dass eine Erwerbstätigkeit allein – auch in der Form einer Vollzeiterwerbstätigkeit – heute keine Garantie mehr dafür darstellt, dass Armuts- und Unterversorgungslagen vermieden werden können.“

Es „existiert bereits heute in der Bundesrepublik Armut bei bzw. trotz Erwerbstätigkeit in größerem Umfang, als dies bisher in der Öffentlichkeit und Politik zur Kenntnis genommen wird. Die Existenz bzw. drohende Zunahme niedrig entlohnter Beschäftigungsverhältnisse könnte in den kommenden Jahren dazu führen, dass in der Bundesrepublik – ähnlich wie in den USA – das Problem der Armut bei Erwerbstätigkeit wachsende sozialpolitische Brisanz gewinnt.“  (Armutsbericht S. 150f)

Unter den Selbständigen sind die Kapitalisten, die von fremder Arbeitskraft leben, mit den traditionellen „handwerklichen“ Einzelarbeitern (Freiberufler, kleine Handwerker, Ärzte, Rechtsanwälte etc) zusammengeworfen, die von eigener Arbeit leben und ihr eigener Chef sind.

 Was ist relative Armut?
Dem Bericht liegt eine relative Armutsdefinition zugrunde, wie sie u. a. im Ratsbeschluss der Europäischen Union im Rahmen des 3. Armutsprogramms am 19. Dezember 1984 formuliert wurde:
„Als verarmt sind jene Einzelpersonen, Familien und Personengruppen anzusehen, die über so geringe (materielle; kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.“

Diese relative Armutsdefinition wird allgemein so operationalisiert, dass die mittlere Lebensweise eines Landes als Referenzpunkt zur Abbildung mittlerer Wohlfahrtsstandards angesehen wird. Diese Operationalisierung hebt damit auf die Bedeutung der Verteilung von Ressourcen und Gütern zur Teilhabe an der allgemeinen Lebensweise ab. Es geht dabei nicht darum, dass allen Bevölkerungsschichten derselbe Umfang an Wohlstand zur Verfügung steht, sondern vielmehr darum, dass mit fortschreitender Wohlfahrtentwicklung auch neue Standards und damit neue Notwendigkeiten und Zwänge entstehen, die wiederum gegebenenfalls ein erhöhtes Maß an Ressourcen beanspruchen ...

Die genannte relative Armutsdefinition legt zudem einen sehr breit angelegten Begriff der Lebensweise zugrunde, der nicht nur materielle, sondern auch kulturelle und soziale Mittel einschließt.

....

Die Armutsmessung geht vom Äquivalenzeinkommen aus: Gemäß dem Vorgehen der Europäischen Union zählt als (einkommens-)arm, wer in einem Haushalt lebt, dessen Äquivalenzeinkommen nicht mehr als 50 % des arithmetischen Mittels in der Gesamtbevölkerung beträgt (Hagenaars/De Vos/Zaidi 1995). Ergänzend werden die 40 %-Schwelle zur Abgrenzung  „strenger Armut“ sowie die 75 %-Schwelle zur Kennzeichnung des „prekären Wohlstandes“ (Hübinger 1996) herangezogen.

Analoge Schwellenwerte zur Abgrenzung des Ausmaßes von relativer Wohlhabenheit werden bei 100 % (Mean), 150 % und 200 % festgesetzt (vgl. Krause/Wagner 1997).

Aus: W. Hanesch/ P. Krause/ G. Bäcker: Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGP und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. rororo November 2000. (DM 26,90)

Vergleiche dazu auch: Karl Marx über Armut und Die marxistische Verlendungstheorie