Lohnstopp in der Krise?

Lohnstopp? Bei den Nettolöhnen haben wir das seit Jahren. Wer heute noch eine "Lohnpause" verlangt, will tatsächlich Lohnsenkungen.

Die Kapitalistenverbände sagen: In der Krise gebe es „nichts zu verteilen“.
Üblicherweise kamen die bisherigen „Verteilungsspielräume“ über die Gewerkschaften und Kapitalisten sich stritten aus dem Produktivitätszuwachs.

Nehmen wir an, der Produktivitätszuwachs eines Jahres sei 3 Prozent.
Das bedeutet, dass mit gleichem Arbeitseinsatz drei Prozent mehr Dienstleistungen und Güter produziert werden können.
Dieser Produktionszuwachs kann gewissermaßen „schmerzfrei“ verteilt werden: Die Lohnarbeiter bekommen davon vielleicht 1,5 Prozent als Lohnerhöhung, ohne dass das den Profit der Kapitalisten schmälert – ganz im Gegenteil, die Profite können weiter wachsen:
„Der Wert der Arbeitskraft ist bestimmt durch den Wert eines bestimmten Quantums von Lebensmitteln. Was mit der Produktivkraft der Arbeit wechselt, ist der Wert dieser Lebensmittel, nicht ihre Masse. Die Masse selbst kann, bei steigender Produktivkraft der Arbeit, für Arbeiter und Kapitalist gleichzeitig und in demselben Verhältnis wachsen ohne irgendeinen Größenwechsel zwischen Preis der Arbeitskraft und Mehrwert.“ Karl Marx, Kapital Bd. I, MEW 23, 545.

Es wäre auch denkbar, dass bei steigender Produktivität die Preise der Güter fallen, die in den Konsum der Lohnarbeiter eingehen (Deflation). Dadurch könnten die Lohnarbeiter mehr konsumieren, auch wenn ihr Lohn stagnierte oder gar sänke.
„Der Preis der Arbeitskraft könnte so bei steigender Produktivkraft der Arbeit beständig fallen mit gleichzeitigem, fortwährendem Wachstum der Lebensmittelmasse des Arbeiters.
Relativ aber, d. h. verglichen mit dem Mehrwert, sänke der Wert der Arbeitskraft beständig und erweiterte sich also die Kluft zwischen den Lebenslagen von Arbeiter und Kapitalist.“
Karl Marx, Kapital Bd. I. MEW 23, 546.

Auf die Verteilung des Produktivitätszuwachses waren die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften mit den Kapitalisten jahrelang spezialisiert. Die Verteilung des Produktivitätszuwachses war das Erfolgsgeheimnis der "Befriedung der deutschen Arbeiterklasse" in der Bundesrepublik: Mit ganz wenigen Kampfmaßnahmen ließen sich deutliche Verbesserungen des Lebensstandards erreichen.
Doch seit 2000 stagniert die Arbeitsproduktivität in den kapitalistischen Kernländern bei rund einem Plus-Prozent.

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2008 gab es in Deutschland nur einen „geringen Produktivitätszuwachs“ (Handelsblatt). In der Metallindustrie ist im letzten Jahr die Produktivität um rund 14 Prozent gesunken. In der deutschen Gesamtwirtschaft wird die Produktivität im Jahr 2009 deutlich im Minusbereich liegen. Von diesem negativen Niveau aus sind allenfalls niedrige Produktivitätszuwächse in diesem Jahr zu erwarten – erkauft durch Massenentlassungen.

Daraus ergibt sich: Die Zeiten der schmerzlosen Verteilungsspielräume sind endgültig vorbei. Kurz: Lohnerhöhungen können nicht mehr aus dem „Produktivitätskuchen“ bezahlt werden, sondern sie schmälern den kapitalistischen Profit. Was eine Seite im Lohnkampf gewinnt, das verliert die andere. Das Argument der Gewerkschaftsführung, dass Lohnerhöhungen insgesamt "die Nachfrage stärken“ würden, ist schlicht falsch.

Dass die Lohnarbeiter dennoch keinen Grund zur Lohnzurückhaltung haben, zeigt folgende Grafik:

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Wal Buchenberg, 05. Januar 2010