2.
Gemeinwirtschaftliche Landwirtschaft im frühen Griechenland 2.1.
Auflösung des gemeinwirtschaftlichen Grundbesitzes. „Könige“ und
Bauern. An Bodenfruchtbarkeit konnte sich Griechenland mit
Kleinasien und den großen Flusstälern des Nil und von Mesopotamien, Indien
oder China nicht messen. Nur rund zwanzig Prozent des gebirgigen Landes
mit relativ kargen Boden konnte bebaut werden (Finley, Odysseus, S. 60).
Der Wald war schon in klassischer Zeit weitgehend abgeholzt. Die
zerklüftete Küstenlinie und die vielen Inseln boten günstige
Verkehrsmöglichkeiten zur See, aber der Fischfang spielte anfangs eine
geringe Rolle. Die Helden Homers essen keinen Fisch und in späterer Zeit
war Fisch in der Regel ein Arme-Leute-Essen. Aber Seefahrt war den alten
Griechen nur im Sommer möglich und konnte also auf längeren Strecken nicht
neben der Landwirtschaft, sondern nur an ihrer Stelle betrieben
werden.
Schon in homerischer Zeit betrieben die Griechen eine
gemischte Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Die
Zweifelderwirtschaft, wobei jährlich im Wechsel ein Teil des Felds brach
lag und der andere Teil mit Gerste oder Weizen bebaut wurde, blieb bis in
hellenistische Zeit üblich. Die Brache war ebenso wie die umliegenden
Berghänge Weideland für Rinder, Schafe und Ziegen, Esel, Pferde und
Maultiere. Eine wachsende Rolle spielte der Gartenbau mit Gemüse, Wein und
Oliven.
Man kann man davon ausgehen, dass bei den Griechen der
Ackerbau ursprünglich kollektiv und in Gemeinbesitz bewirtschaftet worden
war. Dafür sprechen u. a. folgende Indizien:
- Noch in homerischer
Zeit erhalten Könige und Heerführer kultiviertes Land („Temenos“ genannt)
von der Volksversammlung als Entgelt für ihre öffentlichen Aufgaben. Hier
und in späterer Zeit tritt nie ein König oder andere Einzelne als
Grundeigentümer auf, sondern das Volk.
- Alles Neuland, unbebautes
Land und Weideland blieb bis in klassische Zeit Gemeindebesitz. „Das
nicht kultivierte Land, besonders das Weideland, war Dorf- oder
Stammeseigentum.“ (Pekáry, S. 8.) „Das Weideland ... gehört ...
allen Angehörigen der betreffenden Gemeinde; die Nachbarn von der nächsten
größeren Siedlung sind dagegen von der Mitnutzung grundsätzlich
ausgeschlossen. Man kann also wohl sagen, dass das Weideland Gemeindeland
ist....“ (Wer Brachland urbar macht,) „der darf das neu gewonnene Land für
sich behalten; ob zu vollem Eigentum, ist nicht klar, aber jedenfalls wird
dieses Land von nun an individuell bewirtschaftet, und das Recht dazu
überträgt sich auf die Nachkommen.“ (Gschnitzer, S. 36). Falls eine
größere Gruppe von Menschen Neuland unter den Pflug nahm, wie es bei jeder
Koloniegründung geschah, wurde das Land in der Regel gleichmäßig auf alle
Kolonisten aufgeteilt. Auch hier vergibt die Gemeinschaft der Aussiedler
den Boden an die Kolonisten, der in Ausnahmefällen auch neu verteilt
werden kann.
- Bei zunächst gleicher Verteilung des Landes gibt es
keine ständigen Hilfskräfte außer den Familienmitglieder. Viele
landwirtschaftliche Arbeiten wie Urbarmachung, Anlegen von Kanälen oder
Wegen, das Einbringen der Ernte, aber auch Unglücksfälle erfordern jedoch
immer gemeinsame Arbeit Vieler auf einem Punkt. „Stößt dir nämlich auf
dem Hof ein Unglück zu, rennen die Nachbarn ungegürtet herbei, während die
Vettern sich erst lange gürten. Ein böser Nachbar ist eine Plage, so sehr
wie ein guter dir Glück bringt. Geltung wird dem zuteil, dem ein guter
Nachbar zuteil ward.“ (Hesiod, 341 ff.)
Weiter hören wir in der
berühmten Beschreibung der bildlichen Darstellung auf Achileus‘ neuem
Schild (Ilias 18, 541 ff), wie auf weitgedehntem Ackerland zahlreiche
Pflüger gleichzeitig am Werk sind: das weist auf Flurzwang, wenn nicht auf
Feldgemeinschaft. Schließlich werden in einem Gleichnis (Ilias 12, 421 ff)
zwei Männer vorgestellt, die ‚auf gemeinsamem Ackerland‘, mit den
Meßlatten in der Hand, ‚auf schmalem Raum‘ um ihre Grenzlinie
streiten, und zwar ‚um den gleichen Anteil‘.“
Bei
jedem Pflügen zur Zeit Hesiods waren vier Menschen nötig: Einer, der das
Ochsengespann führte, der Bauer führte den Pflug, ein dritter säte in die
Furche und ein vierter schloss die Furche zum Schutz vor den Vögeln.
Ursprünglich wird es sich bei solchen kooperativen Arbeiten um
wechselseitige Nachbarschaftshilfe gehandelt haben, weil bei gleicher
Landverteilung noch keine landlosen Hilfskräfte neben den
Familienmitgliedern verfügbar sind. Bei Hesiod heißt es: „Lohn mit dem
Freund vereinbart, muss unveränderlich bleiben.“ (Hesiod, 369) Der da
hilft, ist ein Freund, kein Abhängiger, erst recht kein „Lohnabhängiger“.
2.1.1. Jeder wohlhabende Haushaltsvorstand ein
„König“ Jedoch bei Homer und Hesiod sind schon deutliche
Unterschiede an Landbesitz und Reichtum zu erkennen. Neben den
„königlichen Helden“ kannte Homer auch landlose Bauern, die sich als
Tagelöhner verdingen mussten. Als Odysseus den toten Achill in der
Unterwelt besucht, klagt der: „Preise mir jetzt nicht tröstend den
Tod.... Lieber möchte ich fürwahr dem unbegüterten Meier, der nur
kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun ...“ (Odyssee 11,
488ff.). Auch in Hesiods Welt lebten landlose oder landarme Bauern, die
betteln mussten. Er mahnt seinen faulen Bruder zu fleißiger Arbeit,
„damit ... du nicht später aus Not fremde Höfe abbetteln muss und doch
nichts bekommst.“ (Hesiod, 372f.) Wie konnte es bei ursprünglich
gleicher Verteilung des Bodens dazu kommen?
Auch eine ursprünglich
gleiche Verteilung des Bodens musste schon von Beginn an gesellschaftliche
Ungleichheit mit sich bringen: Vorausgesetzt, jeder kriegsfähige Mann
erhielt ein gleich großes Landlos, dann hatten Familien mit mehreren
Söhnen sofort größere Landstücke. Ihre größere Zahl der Arbeitskräfte und
ihre Kooperation musste auf Dauer auch größere Ernten und größeren
Reichtum bringen. Große Familienverbände waren eine größere Arbeiter- und
Kriegerarmee und brachten mehr Macht und mehr Reichtum. Bei Homer
rangieren die Heerführer vor Troja nach der Größe ihrer Gefolgschaft.
Agamemnon ist der Heerführer, nicht weil er von den anderen dazu bestimmt
wurde, sondern weil mit der größten Gefolgschaft in den gemeinsamen Krieg
gezogen war. Jeder der mit ihm kämpfenden Heroen war ebenso ein König mit
eigener Gefolgschaft bzw. einer eigenen Armee.
Wer im eigenen
großen Haushalt Erfahrungen mit der Arbeitsorganisation größerer
Menschengruppen besaß, bot sich auch für Führungspositionen auf der Ebene
von Gemeinde oder Stamm an. So argumentierten wenigstens die
herbeigerufenen Vermittler in einem Machtkampf in Milet. Sie schlugen der
Volksversammlung vor, dass „die die Stadt bewohnen sollten, deren Äcker
sie gut bestellt gefunden hätten; denn wahrscheinlich würden diese
ebensoviel Sorgfalt auf das allgemeine Wohl verwenden, als sie auf ihr
eigenes verwendet hatten.“ (Herodot 5,
28.)
Gemeinschaftsaufgaben wie gemeinsame Jagd, Krieg, Urbarmachung
von Neuland, gegenseitige Hilfe bei Naturkatastrophen, Bau von
Befestigungsanlagen usw. erforderten kooperative Anstrengung aller und
daher in gewissem Umfang auch gemeinsame Vorratshaltung für Krieg und
Notfälle. Sofern es den Verwaltern und Aufsehern dieser Arbeiten und der
gemeinsamen Vorräte gelang, ihren Ämtern Dauer zu verleihen, konnten sie
sich aus beauftragten Dienern der Gemeinschaft zu wirklichen „Herren“
emporschwingen und auch einen wachsenden Anteil der Ernte und der
gemeinschaftlichen Arbeiten für den eigenen, privaten Bedarf
nutzen.
Diese Herren wiederholten dabei nur die für alle gewohnte
Wirtschaftsform der traditionellen Hofwirtschaft auf Gemeinde- oder
Staatsebene: Innerhalb eines großen Haushalts oder Gehöftes arbeiteten
alle für den gemeinsamen Vorrat, den der Familienälteste als Hausvorstand
verwaltete. Dieser überwachte alle Arbeiten und verteilte aus dem
gemeinsamen Vorrat an alle Hofmitglieder Arbeit, Essen, Kleidung und
Wohnraum. Jedes Familienoberhaupt war „König“ auf seinem Hof und in seinem
Haushalt. Je größer der gemeinsam erwirtschaftete Überschuss wurde, desto
mehr konnte so ein „König“ für sich privat und seinen engsten Kreis
verbrauchen, ohne dass die anderen notwendig schlechter gestellt sein
mussten. Mit zunehmender wirtschaftlichen Entwicklung konnte also ein
wachsender allgemeiner Wohlstand einhergehen mit einem zunehmenden
Ungleichgewicht in dem verfügbaren Reichtum der Masse und dem der wenigen
Oberhäupter.
Der Reichtum der homerischen königlichen Helden wird
genießerisch geschildert. Der Herdenaufseher von Odysseus, der Sklave
Eumachios, prahlt z. B. über den Reichtum seines Herrn: „Nicht zwanzig
Männer zusammen haben so viele Reichtümer. Ich will sie dir jetzt
beschreiben. Rinderherden sind zwölf auf der Feste, der weidenden Schafe
ebenso viele, auch der Schweine so viele und der streifenden Ziegen.
Mietlinge hüten sie teils, teils leibeigene Hirten.“ (Odyssee, 14,
98ff.)
Das zwanzigfache eines durchschnittlichen Besitzes
schien zu Homers Zeiten ein märchenhafter Reichtum. Aus dem 5. Jahrhundert
erfahren wir von dem Landgut eines gewissen Buselos in Eleusis im Wert von
12.000 Drachmen, ohne dass dieser Reichtum Anlas zum Erstaunen gab. Dieser
Besitz des Buselos – es war nicht sein einziger – war vierzigmal
höher als die athenische Armutsgrenze, bis zu der ein Athener Anspruch auf
staatliche Unterstützung hatte. (vgl. Finley, Antike; S.
113f.)
Aber selbst diese vierzigfache Kluft zwischen Arm und Reich
ist noch bescheiden im Vergleich mit der Akkumulation von Reichtum in der
römischen Kaiserzeit, die erst wieder im modernen Kapitalismus erreicht
und übertroffen wurde. Ein amerikanischer Topmanager, verdient mehr als
300 mal so viel wie der Durchschnitt der Lohnarbeiter; in den USA leben
170 Billionäre, jeder mit einem Vermögen, das 10 Millionen mal so hoch ist
wie ein überdurchschnittliches Jahresgehalt von 100.000 DM. (Nach: ‚The
Economist‘ Nov. 28. 1998 u. May 30. 1998.)
Der Anteil am
wirtschaftlichen Gesamtprodukt, den diese griechischen „Könige“ oder
Großgrundbesitzer für sich und ihren nächsten Anhang verwendeten war aufs
Ganze gesehen noch gering. Schließlich haben die alten Griechen keine
Pyramiden gebaut wie die Ägypter oder große Heere unterhalten wie die
Römer. Erst bei den großen Tempelbauten des 6. Jahrhunderts v. Chr. gingen
die Griechen schon an die Grenzen ihrer Möglichkeiten an verfügbaren und
ernährbaren Arbeitskräften und an Technik, so dass einige dieser
Großbauten nicht vollendet werden konnten (vgl. Murray, S. 301). Doch bei
allen griechischen Gemeinschaftsaufgaben blieb noch das Gesamtinteresse
bestimmend. Falls diese Könige auf Staatsebene wie auf Familienebene nicht
im gemeinsamem Interesse handelten, gefährdeten sie die Existenz aller.
Dazu heißt es bei Hesiod: „Wem aber schlimme Gewalt und Freveltaten
gefallen, denen verhängt Zeus... gerechte Strafe, und schon oft büßte die
ganze Stadt für einen Schurken, der Frevel und Missetaten verübt. Solchen
sendet er schweres Leid vom Himmel, Hunger und Pest zugleich, und ganze
Völker verderben. Ihre Frauen gebären nicht, und Geschlechter
schwinden...“ (Hesiod 237 ff.)
2.1.2. Die griechischen
Bauern Mit dem Reichtum der einen, ist schon die Armut der anderen
gegeben: Jeder Bauer war auf
Hilfe angewiesen, aber für arme Bauern war Hilfe rar. Erst die
Landmaschinen des 20. Jahrhunderts befreiten die landwirtschaftlichen
Hilfskräfte, Knechte und Mägde von ihrem bäuerlichen Herrn und
emanzipierten den Bauern von seinen Hilfskräften. Hilfeleistungen beruhten
auf Gegenseitigkeit und mussten entweder in Arbeit oder in Naturalien
abgegolten werden. „Gib auch dem, der dir gibt, und gib dem nicht, der
nicht gibt.“ (Hesiod, 353ff.) Aus dieser ganz zufälligen Ungleichheit
der jeweiligen Familiengröße konnte und musste die Schuldknechtschaft
selbst dort entstehen, wo der Boden gleich verteilt war. Beispiele dafür
bieten auch Erfahrungen mit Erbteilungen. Hesiod (740 - 670 v. Chr.) hatte das väterliche Erbe
mit seinem Bruder Perses aufgeteilt, trotzdem war der Bruder bald verarmt
und forderte dann vergeblich von dem wohlhabenderen Hesiod erst Geschenke,
dann einen zusätzlichen Erbteil.
Der Unterschied zwischen kleinem
und großem Landbesitz war bei Hesiod schon zum bewussten Gegensatz
entwickelt. Er schimpft die aristokratischen „Könige“ mehrmals
„Geschenkefresser“ (Hesiod, 38f u.a.) und er meint wohl auch diese
großen Herren, wenn er von faulen Drohnen spricht, die „den mühsam
geernteten Honig der Bienen verfressen.“ (Hesiod, 304) Auch in
der Odyssee wurden alle versammelten Edlen vom Gastgeber aufgefordert, dem
Odysseus Geschenke zu geben, für das sie beim Volk Ersatz fordern:
„Lasst uns noch jeden ein groß dreifüßig Geschirr und ein Becken ihm
verehren. Wir fordern uns dann vom versammelten Volke wieder Ersatz; denn
einen belästigen solche Geschenke.“ (Odyssee 13, 13-15). Hesiods
Kritik an diesen Geschenkefressern lässt aber weniger auf eine allgemeine
Verarmung der Masse der Bauern schließen, eher auf gewachsenes
wirtschaftliches Gewicht und gestiegenem Selbstbewusstsein, sonst hätte er
nicht gewagt, seine Kritik zu formulieren als Lied öffentlich
vorzutragen.
Landlose Bauern blieben bis in die klassische Zeit nur
eine geringe Minderheit der Bürgerschaften. Allerdings muss man bedenken,
dass diese unterste Bauernschicht auf der einen Seite ständig durch
Verarmung landbesitzender Bauern vermehrt wie auf der anderen Seite durch
Abwanderung in Kolonien oder in handwerkliche Berufe vermindert wurde. Wer
von ihnen in der Landwirtschaft verblieb, musste sich bei wohlhabenderen
Bauern gegen Lohn verdingen.
Hesiod kannte vier Entlohnungsformen
für landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten: - Entlohnung eines Freundes:
„Lohn, mit dem Freund vereinbart, muss unveränderlich bleiben;“
(Hesiod, 369.); - dann Entlohnung für eine fest umrissene Aufgabe,
gleichsam als Werkvertrag: „Die Rinder aber soll ein vierzigjähriger
Mann lenken, der das Viertel eines achtteiligen Brotes erhielt...“
(Hesiod, 440f.); - drittens monatliche Entlohnung am dreißigsten eines
Monats, die ausdrücklich mit einer Prüfung der Arbeiten verbunden ist:
„Der dreißigste des Monats ist der beste Tag, um die Arbeit zu prüfen
und Kost zu verteilen.“ (Hesiod, 765f.) - und viertens Verköstigung
in Wintermonaten, die nicht an Arbeit gekoppelt ist: „Nun gib den
Ochsen nur das halbe Futter, den Knechten aber ein wenig darüber...“
(Hesiod, 558).
Diese unterschiedlichen vier Entlohnungsformen
konnten unmöglich alle für eine und dieselbe Art von gedungener oder
abhängiger Arbeitskraft gegolten haben.
Freundschaftliche und
nachbarliche Hilfe muss es bei den Griechen vor jeder abhängigen Arbeit
gegeben haben. In der Tradition der gemeinsamen Arbeit für die
Gemeinschaft, bedeutete „entlohnte“ Arbeit auch für große Herren nichts
Ehrenrühriges. Homer erzählt, dass der Meeresgott Poseidon den Apollon
fragte: Hast du vergessen, wie „wir auf Zeus‘ Geheiß als Thetes
(„Entlohnter“) für ein Jahr arbeiteten auf vereinbarten Lohn“ für
Laomedon, den König von Troja, und die Mauer um die Stadt bauten und das
Vieh hüteten? Und wie am Ende des Jahres Laomedon „uns unseres Lohnes
beraubte und uns mit Drohungen wegschickte?“( Ilias 21, 441-452; zit. n. Finley, Odysseus, S. 57.)
Für solche Freundeshilfe wurde eine Gegenleistung erwartet. Ehrenrührig
war nicht die Entlohnung, sondern Dienstleistung ohne Entlohnung. Diese
Entlohnung konnte durch Naturalien („Lohn“) oder durch Gegenhilfe erbracht
werden. Diese belohnte Hilfe war noch keine von der Eigentumslosigkeit
erzwungene Lohnarbeit oder mit Gewalt erzwungene Sklavenarbeit. Die
entlohnte Hilfe war völlig freiwillig und konnte daher auch verweigert
werden: „Setze alles Gerät im Hause gut instand, sonst musst du jemand
anderen bitten, der Nein sagt, während du dastehst, die günstige Stunde
verstreicht und dein Ertrag abnimmt.“ (Hesiod, 406ff.)
Eine
zweite Gruppe von landwirtschaftlicher Hilfstätigkeit kam wohl aus dem
eigenen Haushalt mit engeren oder weiteren Verwandtschaftsbeziehungen, vor
allem der jüngeren Mitglieder des Haushaltes, (dafür spricht, dass die
späteren Griechen ihre Sklaven mit „Junge“ angesprochen haben. Die Sklaven
befanden sich zunächst in der Position von Kindern eines Haushalts), aber auch von Angehörigen
verarmter Bauern, die als Gesinde auf unbestimmte Zeit eingestellt wurden.
„Wenn du aber jeglichen Vorrat richtig im Hause verwahrt hast, dann
suche, das rate ich dir, einen Knecht ohne Hausstand und eine Magd ohne
Kinder, denn eine, die schon gekalbt hat, ist lästig.“ (Hesiod,
600ff.) Arbeit und Konsum dieses zum Hausstand gehörigen Personenstands
wurde vom Familienoberhaupt überwacht, das den Hausmitgliedern sommers wie
winters ihre Arbeit und Kost zuwies. Das kann bei großen Gehöften auch
monatlich geschehen sein. Eine letzte Gruppe von landwirtschaftlichen
Hilfskräften stellten die Wanderarbeiter, die für eine Saison oder ein
Jahr sich an einen oder mehrere Bauern verdungen haben. Von ihnen spricht
wohl Hesiod, wenn er sagt: „Weise auch die Knechte noch mitten im
Sommer an: ‚Ewig währt der Sommer ja nicht, drum baut eure Hütten!‘“(
Hesiod, 501f.) Ohne feste Unterkünfte können sie nicht zum Hausstand
gehört haben.
Landwirtschaftliche Arbeit war von frühester Zeit an
mehr noch als heute, wo zunehmend kollektiver Arbeitseinsatz durch
Maschinen ersetzt wird,
kollektive Arbeit, und sobald die Feldarbeit nicht mehr gemeinsam
durch Nachbarschaftshilfe erledigt wird, kommt sie nicht ohne bäuerliche
Hilfskräfte aus. Das werden anfangs nicht geraubte oder gekaufte Sklaven
sein. Der Herdenaufseher und Sklave des Odysseus erzählt, dass er schon
als Kind von Phöniziern aus seinem reichen Elternhaus geraubt und dann an
den Vater des Odysseus verkauft worden war. Er wird als Einzelfall
dargestellt. Die Griechen haben im allgemeinen in archaischer Zeit bei
ihren Beutezügen nur Frauen und Kinder als Sklavinnen gefangen und die
Männer umgebracht.
Ihre Arbeitsteilung war noch nicht so weit
entwickelt, dass sie für männliche Produktionssklaven Verwendung hatten.
Sklavinnen waren weiblich und im Haushalt tätig. Sie waren unproduktiv
tätig und schufen keinen Reichtum für ihren Sklavenbesitzer, sondern
zehrten von seinem Reichtum. Produktive, männliche Sklaverei entwickelte
sich erst später mit entwickelter Warenproduktion. Arbeitsorganisatorisch
setzte die produktive Sklaverei eine entwickelte Trennung von einfachen
und komplizierten Arbeiten voraus, die es zu Hesiods Zeiten nur in
Ansätzen gab.
Andererseits wird bäuerliche Sklavenarbeit auch erst
ab einer gewissen Größe des Grundbesitzes sinnvoll, wo über das ganze Jahr
hinweg solche einfachen Tätigkeiten aus der bäuerlichen Arbeit
ausgegliedert werden. Notwendig wird die Sklavenarbeit dann deshalb, weil
die entlohnte freie Arbeit nicht die ganze Zeit an den eigenen Boden
gefesselt werden konnte. Abgesehen davon, dass landlose oder landarme
Bauern, die als Tagelöhner arbeiteten, sich nur soweit und solange
verdingten, als sie für ihr Überleben nötig hatten, gab es noch häufige
gesellschaftliche Unterbrechungen ihrer Arbeit durch Feiertage,
Volksversammlungen und Kriegsdienst. Schließlich waren sie weder an
Tätigkeit noch an den Ort gebunden, sie konnten ungenutztes Land besetzen
oder Handwerker werden oder zur See fahren und nicht zuletzt mit anderen
zusammen in Übersee eine neue Kolonie gründen. Herausbildung
der Warengesellschaft in Griechenland (Bisheriger Text) (Wird
fortgesetzt) |