Warum Gold? Goldkäufern wird immer wieder
vorgehalten, dass der Goldpreis fallen müsse, weil das Angebot größer sei
als die Nachfrage.
1. Gold als Rohstoff. Das erste
Argument, dass dann angeführt wird, ist das „Rohstoff-Argument“: Gold sei
ein Rohstoff, der kaum verbraucht, aber kräftig produziert wird. Aber
wieso wird Gold denn dann kräftig produziert, wenn es eigentlich gar nicht
gebraucht wird? Eben weil Gold nur nebenbei auch ein Rohstoff ist. Im
Wesentlichen ist Gold ein Werterhaltungsmittel und als solches ein Teil
des Geldsystems. Im internationalen Geldverkehr ist Gold auch eine
Währung. Man kann also sagen Gold ist das Geld der Nationalbanken und als
solches ist Gold „privilegiertes Geld“.
2. Goldreserven der
Notenbanken als „Goldangebot“? Das nächste Totschlagargument gegen
private Goldkäufer ist die Gesamtmenge der Notenbank-Goldreserven. So
schreibt der ‚Economist’ vom 1. Juni 02: “Yet declining amounts of
hedging may not be enough to keep the gold price up. The world’s central
banks hold some 30.000 tonnes of gold in their vaults.“
Die
Financial Times vom 29.5.2002 blies ins gleiche Horn: „Die
Goldreserven der Zentralbanken sind noch immer mehr als zehnmal so
umfangreich wie der weltweite Goldverbrauch jährlich. Kein Markt der Welt
weist einen solchen Angebotsüberhang aus. Das ist es, was dem Goldpreis
den Weg nach oben nachhaltig versperrt.“
2.1. Erster
Denkfehler: Die Goldreserven aller Notenbanken der Welt als eine
einheitliche Menge zu nehmen, die ökonomisch in die gleiche Richtung
wirkt, setzt voraus, dass alle Notenbanken sich zu diesem Zeitpunkt
einigen und ihre Goldpolitik harmonisieren. Wer wollte jedoch annehmen,
dass die Notenbanken von Indien und Pakistan, von Israel und
Saudi-Arabien, von Libyen und den USA, von China und Japan sich alle einig
werden und zur gleichen Zeit als Goldverkäufer auftreten, nur um den
privaten Goldkäufern die Preise zu verderben? Die Gebrüder Grimm hätten
diese Story nicht in ihre Märchensammlung aufgenommen, aber seriöse tuende
Finanz-Zeitung drucken heute so was ab.
2.2. Zweiter
Denkfehler: Selbst wenn man die Goldreserven aller Notenbanken als
eine einzige Gesamtmenge nimmt: Diese Goldreserven stehen, eben weil es
Wert-Reserven sind und sein sollen, ebenso wenig wie privates Gold im
Bankschließfach auf der Angebotsseite. Gold im Banktresor wie im privaten
Schließfach kann nicht gleichzeitig zwei entgegengesetzte ökonomische
Funktionen wahrnehmen: Gleichzeitig den Wert zu erhalten und den Preis zu
drücken.
In Artikel 3 der Statuten der Europäischen Zentralbank
wird als ihre Aufgabe u.a. definiert: „to hold and manage the
official foreign reserves of the Member States;“
Und in
geld-online vom 29.09.1999 heißt es: „Berlin: (hib/VOM-wi) Die
Europäische Zentralbank (EZB) ist mit dem Eintritt in die dritte Stufe der
Europäischen Währungsunion mit einem Gesamtbetrag von effektiv 39,47
Milliarden Euro ausgestattet worden. Dies geht aus der Antwort der
Bundesregierung (14/1394)
auf eine Kleine Anfrage der PDS (14/1227)
hervor. Ihrem Anteil am Kapital der EZB in Höhe von 24,49 Prozent
entsprechend habe die Deutsche Bundesbank Währungsreserven im Gegenwert
von 12,25 Milliarden Euro auf die EZB übertragen. Dabei seien nach
Vorgaben des EZB-Rates 15 Prozent auf Gold und 85 Prozent auf Devisen
entfallen. Die übrigen Währungsreserven verblieben im Besitz der
nationalen Zentralbanken. Die Goldreserven des Euro-Systems betragen der
Antwort zufolge 405 Millionen Unzen, die mit 105,3 Milliarden Euro
bewertet seien. (Bundestagsprotokoll vom 6.8.1999, Nr. 141)
An
diesem Goldbestand der EU-Notenbanken („including gold deposits and gold
swapped“) hat sich von 1999 bis heute nichts geändert.
Trotzdem
gibt es keinen Zweifel, dass wichtige Notenbanken Absprachen getroffen
haben, um den Goldpreis „niedrig“ zu halten. Was jedoch heißt „niedrig“?
Auch ein Goldpreis von 600 USD pro Unze kann je nach Lage noch niedrig
sein.
Gerade weil Gold ein Werterhaltungsmittel ist, taugt es als
ein Vertrauensindikator für den Wert der „Papierwährungen“. Steigt der
Goldpreis deutlich, dann signalisiert das in aller Öffentlichkeit
versteckte Risiken innerhalb unseres Geldsystems. Ein steigender Goldpreis
signalisiert einen Wertverlust des Papiergeldes. Wenn die Notenbanken
der großen kapitalistischen Staaten deutliche Anstiege des Goldpreises
verhindern wollen, dann dient das zur Vertrauensunterstützung ihres
inflationierten Papiergeldes. Wenn Notenbanken Gold auf den Markt werfen,
muss man also daraus schließen, dass die Notenbanker beunruhigt sind über
den Zustand unseres Finanzsystems, dass sie diese Beunruhigung aber nicht
an die Öffentlichkeit dringen lassen wollen.
Falls die Notenbanken
für das politisch-ideologische Ziel, Vertrauen in inflationierte
Papierwährungen zu erhalten, Gold auf den Markt werfen und Druck auf den
Goldpreis ausüben, dann steht das in direktem Gegensatz zu dem Zweck ihrer
Goldreserven als Währungs- und Wertreserve. Je weniger Papierwährung wert
wird, desto wichtiger wird Gold nicht nur für Privatleute, sondern auch
für Notenbanken.
Die Notenbanken können daher jedoch nie ihre
gesamten Goldreserven auf den Markt werfen. Das
wäre ökonomisch unsinnig, politisch riskant und juristisch mindestens
fragwürdig. Im Grunde wollen die Notenbanken den Privatleuten
etwas untersagen, was sie selbst tun: Sie predigen öffentlich „Papiergeld“
und halten selber Gold als Reserven.
3. Die private
Nachfrage 3.1. Erster Denkfehler Von den Verteidigern unseres
Finanzsystems wird gerne so getan, als sei der Goldmarkt ein
monopolisierter Markt wie der Diamantenmarkt. Das ist keineswegs der Fall.
Gold wird in viel mehr Ländern gefördert als Diamanten und es wird näher
an der Erdoberfläche gefunden.
Gold kann - anders als Diamanten - selbst in kleinsten Mengen
geschürft oder gewaschen werden. Anders als Diamanten hat Gold eine leicht
feststellbare Qualität – den Reinheitsgrad. Die Qualität und damit den
Wert von Diamanten können nur Fachleute feststellen.
Der Goldmarkt
ist für jedermann zugänglich, der über flüssige Geldmittel verfügt – also
für etliche Millionen Menschen in aller Welt. Dass - zeitweilig - relativ wenig Leute
auf dem Goldmarkt handeln, hat innerökonomische Gründe. Zur Zeit gibt es
in Deutschland rund 5 Millionen Aktienbesitzer. Ich vermute, die
Goldbesitzer sind deutlich weniger.
Weltweit hatte die private
Goldnachfrage von 1994 bis zum Jahr 2000 (Barren und Münzen) jährlich
einen Umfang von durchschnittlich 370 Tonnen. (Quelle:
http://www.gold.org/finalgold/d_value/sd_investment/pdf/retailgold.pdf
) Das waren jedoch Jahre mit ständig sinkendem Goldpreis. Wir
werden sehen, wie viel Gold in den nächsten Jahren privat nachgefragt
wird.
3.2. Zweiter Denkfehler Natürlich sind die
westlichen Notenbanken wenige große Akteure auf dem Goldmarkt mit großer
Marktmacht. Sie können sich absprechen und eine gewisse Zeitlang und in
gewissem Ausmaß den Markt beeinflussen. Das unterscheidet den Goldmarkt
vom Aktienmarkt. Jedoch wird die Marktmacht der Notenbanken von den
Verteidigern unseres Finanzsystems gerne gröblich überschätzt. Oben wurde
schon darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Notenbanken nie mit der
ganzen Masse ihrer Goldvorräte auf den Markt gehen können, ohne sich und
der Stabilität der Währung, die sie vertreten, zu schaden. Zweitens
sind die Goldvorräte der Notenbanken winzig im Vergleich mit dem flüssigen
Geld, das jeden Tag an der Börse umgeschlagen wird. Laut Economist
besitzen alle Notenbanken der Welt derzeit 30.000 Tonnen Gold. Das sind
ca. 1 Milliarde Feinunzen. Bei einem Goldpreis von 320 USD pro Unze macht
das 320 Milliarden USD. Ist das etwa viel? Der Tagesumsatz an der New
Yorker Börse beträgt rund 16 Milliarden USD. Die versammelten Goldreserven
der Notenbanken der Welt repräsentieren nicht mehr als den Wert von
zwanzig Handelstagen an der New Yorker Börse.
4. Wie weit kann der Goldpreis
steigen? Der
Preis von Gold setzt sich zusammen - aus einem Wertvergleich zu anderen
Waren, der sich nur ändert, insofern sich die Produktivität bei der
Herstellung von Gold bzw. den Vergleichswaren ändert; - aus dem
Konkurrenzverhältnis von Angebot und Nachfrage. Beide Preiselemente
vermischen sich zum eigentlichen Marktpreis und ändern ihr relatives
Gewicht je nach Situation.
Laut ‚Economist’ soll der
Produktionspreis für Gold gegenwärtig bei 68 USD pro Unze liegen. Die
Differenz von 260 USD zum gegenwärtigen Marktpreis von 328 USD (ein
Aufschlag von rund 400 %) sind gleichsam der aktuelle „Angstaufschlag“ des
Goldpreises.
Was die Werterhaltungsfunktion des Goldes angeht, wird
der Goldpreis – wie andere wichtige Warenpreise - automatisch steigen,
wenn der Dollar an Wert verliert und wird soviel steigen, wie der Dollar
an Wert verliert. Insofern ist Gold eine gute Versicherung gegen die
kommende Dollarflaute.
Was den Angstpreis des Goldes angeht, steigt
der in Krisenzeiten. Heute haben wir wieder eine Krisenzeit, die sich
weiter verschärft. Wie viel Preispotential hat also das Gold? Ich bin kein
Fachmann für Kursprognosen, aber eine gewisse Orientierung geben der
normale Menschenverstand und der Vergleich mit der
Vergangenheit.
Goldpreise in Krisenzeiten (jeweils Jahresende -
in USD vor der Krise und der Spitzenpreis in, bzw. nach der Krise -
Inflation nicht eingerechnet)
1928 = 20 USD 1947 = 43
USD Angstaufschlag 215 %
1971 = 44 USD 1974 = 195
USD Angstaufschlag 443 %
1977 = 206 USD 1980 = 640
USD Angstaufschlag 310 %
2000 = 280 USD 200X = "? USD Angstaufschlag "
%
Zwei Dinge fallen auf: Erstens der Peakpreis
in der Krise wird mehr oder minder zum normalen Preisniveau nach der
Krise. Dieses Preisniveau wurde nur seit 1980 deutlich unterschritten.
Daraus lässt sich sicherlich schließen, dass das Preisniveau von 2000 (280 USD) künstlich gedrückt und
unterbewertet ist. Eigentlich wäre nach diesen Daten ein „normaler“
Goldpreis von rund 600 USD zu erwarten. Unter 600 USD pro Unze kann von
einer spekulativen „Preisblase“ beim Gold keine Rede sein.
Der
„Angstaufschlag“ des Goldpreises stieg tendenziell mit jeder Krise und
dürfte heute rund 400 Prozent Aufschlag gegen über dem langjährigen
Preisniveau vor der Krise mindestens
betragen.
Resultat Nach den vorliegenden Daten wäre mit
einem spekulativen Goldpreis in einer kommenden schweren Krise von
mindestens 1200 USD zu rechnen (= das langjährige Preisniveau der letzten
Jahre von 300 USD mal vier).
Nach dieser Krise wäre mit einem
längerfristigen Goldpreis von 600 USD zu rechnen (= dem Spitzenniveau der
letzten Krisenzeit von 1980).
Wohlgemerkt: Ich gebe hier keine
Anlageempfehlung. Ich hoffe jedoch, dass ich die Verteidiger unseres
Finanzsystems mit diesen Argumenten etwas ärgern kann. Sie haben schon
sehr vielen Leuten Ärger verursacht.
Wal Buchenberg, 4.6.2002
|